Mein erstes Online Eiskunstlauf-Training war definitiv das ungewöhnlichste, das ich diese Saison ausprobiert habe. Ich hatte lange Zeit kein wirkliches Interesse an irgendeiner Art von Online-Training, aber ich habe mich dieses Jahr einfach unheimlich geärgert, dass meine Pirouetten nicht besser wurden. Deshalb hatte ich mich für ein Online-Gruppentraining angemeldet (spinner training).
Wie ich zum Online Eiskunstlauf-Training gekommen bin
In diesem Training habe ich dann schon so viel gelernt, dass ich definitiv mehr machen wollte bzw. mehr mit dieser Trainerin zusammenarbeiten. Dabei habe ich dann in meinen Augen die komplett irre Idee geäußert, ob ich vielleicht mal probieren könnte, das Handy zum Zoom-Meeting mit ins Stadion zu nehmen. Ich habe sowieso öfter meine Kamera oder Handy dabei und das stört da niemanden. Es ist auch erlaubt, Gegenstände mit auf die Eisfläche zu nehmen im Kürpatch (wie Longe, Hütchen oder andere Hilfen) und viele filmen sich regelmäßig. Also einen Versuch wäre es wert, dachte ich mir.
Eigentlich war es nur eine fixe Idee…
Meine Trainerin meinte dann, dass sie einige Leute hätte, die das eben genau so machen, und die Idee überhaupt nicht abwegig sei. Das hat mich erst mal total überrascht, denn für mich war das schon eine etwas abgehobene Vorstellung. Ich will da auch keinen stören oder irgendwie auffallen.
Andererseits ist es auch so, dass man kaum einen Trainer findet. Mein Kenntnisstand ist zu hoch für den Publikumslauf und nicht hoch genug für die meisten Trainer. Ich habe hin und wieder Leute in der Olympiahalle angesprochen, die dort auch ältere Leute trainieren. Einmal meinte eine Trainerin, ich soll sie einfach später ansprechen, sie wäre dann noch da. Danach ist sie direkt wortlos abgehauen, einfach raus-gesneakt, aber auf so ne offensichtliche Art, dass ich mir wirklich komplett verarscht vorkam. Also ich meine, sie hätte auch einfach sagen können, sie hat keine Kapazität und gut. Verstehe solches Verhalten nicht. Ist für mich Grundschul-Level.
Autodidaktisch lernen ist mir (leider) nicht neu
Naja, und so ist die Situation halt hier. Man kann natürlich andere ansprechen und fragen, ob sich jemand einen Trainer teilen will. Aber ich hatte damit noch nie Erfolg und ich bin auch nicht der Typ dafür, Leute um Kram anzubetteln oder ständig nachzufragen. Ich mache dann lieber mein eigenes Ding, und nachdem ich im ersten Jahr vom Verein aus eigentlich nur »Laufschule« mit den Dreijährigen hatte, habe ich ohnehin das meisten allein mit YouTube gelernt – dazu gehören alle Sprünge, die ich bis jetzt kann und verschiedene Schritte wie Chassés, Übersetzen und Wenden – habe ich mir letztlich alles selbst beigebracht, weil es im Gruppentraining leider die Möglichkeit nicht gab.
Autodidaktik liegt mir schon, aber es ist hier wirklich nicht meine erste Wahl. Ich hätte gern mehr professionelles Training gehabt. Nur wie gesagt, im Verein fiel das oft alles hinten runter. Ich war zu schlecht für die Fortgeschrittenengruppe und in der Kindergruppe habe ich nur Zitronen und Slalom geübt und wollte dann nach drei Monaten mal Fortschritte machen. So habe ich dann alleine Zweibein-Wenden geübt, bis ich den Dreier alleine geschafft habe. Das habe ich mit Videos festgehalten um meine Fehler zu sehen, und sicher, bla bla bla, das ist alles nicht perfekt.
Trainer finden ist schwer
Perfekt wäre 1:1 Training. Aber wisst ihr, was besser ist als nichts? Alles. Alles ist besser als nichts. YouTube ist besser als nichts. Bücher sind besser als nichts. Selbst einfach nur rumprobieren ist immer noch besser als Zitronen zu fahren für drei Monate am Stück. Und mir war an dem Punkt dann auch völlig egal, ob ich diese verschimmelten Zitronen noch nicht bis ins letzte perfektioniert hatte. Ich wollte einfach endlich was anderes machen.
Gruppentraining im Verein
Diese Saison (22/23) bin ich dann im Verein zum Glück in eine bessere Gruppe gekommen. Aber manchmal eben auch in solche (je nach Stadion ist das verschieden), wo ich wieder komplett abgehängt wurde. Das Problem ist zB. dass ich bestimmte Sachen technisch schon hinkriege, aber eben langsam. Und wenn dann alle im Kreis fahren, ist mir das zu schnell. Ich kann die Koordination noch nicht so, dass ich gut und schnell einfach aus dem Weg gehen kann. Ich bleibe dann irritiert stehen, muss neu anfangen, und dann kommt schon der nächste an mir vorbeigerauscht. Ist einfach nicht optimal.
Allein im Kürpatch
Und so habe ich oft im Kürpatch geübt, wo Platz ist. Man ist alleine, man kann das üben und vertiefen, was man im Gruppentraining nicht ganz kapiert hat. Man kann pausieren und ein Video dazu gucken… Das hat mir wirklich viel gebracht. Aber eine Sache, bei der ich wirklich über die komplette Saison eben keine Erfolge hatte, waren Pirouetten. Ich habe das dann auch irgendwie nur noch gemieden. Aber weil ich nicht wollte, dass ich mich vor diesem essentiellen Teil drücke, habe ich mich für das Online Eiskunstlauf-Training angemeldet. Und darüber kam ich dann eben auf diese Eishallen-Idee. Und ich muss sagen, das war ein sehr sehr guter Einfall, im Nachhinein betrachtet.
Endlich Trainingstag…
Der erste Trainingstag fing gleich gut an, mit einem MVG-Streik. Und so bin ich fast zu spät gekommen, 1h mit dem Rad da hin gegurkt. Immerhin ein gutes Warm-up. Nach 5 min Einfahren (meine ollen Knochen brauchen eigentlich 30 min, nein, das ist überhaupt kein Witz, Freunde) haben wir dann unseren Zoom Call gestartet.
Meine Trainerin ist wirklich super professionell. Die verschwendet keine Sekunde. Und trotzdem nett und fragt auch mal, wie’s läuft und so weiter. Wir kamen gleich zur Sache und ich sollte mal ein paar Basics vorführen. War natürlich entsprechend unruhig (Performance auf Anfrage war noch nie meins, surprise…), so dass alles noch mal extra unsicher aussah, aber damit kann ich leben. Reproduzierbar heißt für mich auch unter Stress reproduzierbar. Wenn es das nicht ist, sitzt es eben noch nicht richtig.
Ablauf des Online Eiskunstlauf-Trainings
Der Ablauf der gesamten Session war ungefähr dieser:
- Vorwärtslauf (forward strokes)
- Rückwärts fahren (bw. strokes)
- Übersetzen
- Flieger
- Dreierschritt (RFO)
- Pirouetten
Vorwärtslauf
Vorwärtslauf dachte ich immer ist okay bei mir. Aber ich wusste natürlich, dass ich (a) ziemlich asymmetrisch bin und (b) die Oberkörper-Haltung nicht besonders stabil ist. Meine Trainerin hat auch bemängelt, dass ich zu viel mit den Armen herumfuchtele (sie hat es netter gesagt). Aber das wurde dann auch direkt eliminiert. Wie gesagt, keine Sekunde verschwendet, sondern es ging immer gleich zum Punkt.
Auch bei der Armhaltung hat sie mir geholfen. Vorwärtslauf ist ja auf der Außenkante. Und ich fühle mich dann immer verleitet, die Arme entsprechend mitzunehmen. Aber was sie sehen wollte war, dass ich das komplett steady halte (auf 2 und 10 Uhr) und einfach so im Vorwärtslauf geradeaus fahre, mit immer gleicher Blickrichtung und Armhaltung.
Ich weiß auch, dass in Prüfungen immer erwünscht ist, dass es schön »bouncy« aussieht. Also eine fließende Auf- und Abbewegung im Knie zu erkennen ist, und man nicht wie so ein unbeweglicher Zeigestab übers Eis stöckelt. Das ist leichter gesagt als getan. Jede Bewegung, die man macht, fühlt sich so viel größer an als sie ist und es kostet echt viel Überwindung, sie dann noch größer zu machen!
Trotzdem war sie am Ende zufrieden und ich wusste dann auch, woran ich üben und worauf ich achten muss. Perfekt.
Rückwärtslauf
Danach sollte ich nur mal kurz zeigen ob und wie ich rückwärts fahren kann, aber das wollte sie dann nicht weiter bearbeiten, weil es den Rahmen sprengen würde. Ich wusste auch, dass das für jeden Trainer auf dem Niveau einfach pure Augenfolter sein muss. Es ist Fremdscham für mich, wenn ich mir meine eigenen Videos angucke. Also wie viel Geduld muss dann bitte jemand haben, der schon mit high-level Profis gearbeitet hat? Also, ich hab mir auf absolut nix irgendwas eingebildet, ich war einfach nur dankbar für jeden Hinweis.
Übersetzen
Anschließend ging es zum Übersetzen. Ich hatte das die Tage vorher geübt aber leider nicht so viel wie ich gern hätte. Im Uhrzeigersinn vorwärts und entgegen rückwärts fällt mir als »Links-Eisläufer« am schwersten. Und deswegen habe ich auch mit der schönen Seite angefangen. Auch da natürlich viel room for improvement. Dann kam die Seite des Grauens dran und ich habe die auch schon so angekündigt. Drei Kreuze und los ging’s. Und meine Trainerin war überhaupt nicht geschockt. Also eher positiv. Sie kann das wirklich, einem Motivation zu geben, muss ich sagen. Ich war so an dem Punkt, dass ich froh war, nicht zu fallen. Ich habe einen Beckenschiefstand und für mich ist das ziemlich schwierig, die Kraft aufzubringen, die Hüfte zu halten und nicht einzuknicken. Das hat mich dann einfach so krass gefreut, dass sie es nicht völlig unzumutbar fand, was ich da fabrizierte…
Mehr Länge und mehr ins Knie gehen natürlich…
Wir arbeiteten noch einige Runden an den Crossovers, und was meine Trainerin sich v.a. wünschte war »more extension«. Mehr in die Länge gehen beim ersten Abstoß. Und zweitens, dass ich die Armhaltung verbessere. Dazu gab es dann auch direkt praktische Tipps: Nicht in den Kreis und auf den Boden gucken hilft (wer hätte das gedacht) und ich sollte über meinen führenden Arm schauen (der, der vorne ist). Das hat dann echt ganz gut funktioniert, wobei ich wohl trotzdem noch den vorderen Arm hoch ziehe und den anderen bisschen hängen lasse.
Der wichtige Punkt ist auch hier wieder: Es ist toll, wenn einem das jemand sagt und dann auch direkt erklärt, wie man es lassen kann und verbessern kann. Vieles ist mir auch selber klar, wenn ich mich mal filme. Aber das ist alles kein Vergleich dazu, wie viel es bringt, wenn man direkt mit jemandem arbeitet und in dem Moment, in dem man etwas falsch oder richtig macht, Feedback bekommt.
Flieger und Dreierschritte
Dann wollte sie noch eine spiral (Flieger) sehen, und auch hier soll ich natürlich mehr Spannung abliefern. Und anschließend ging es zu den Dreierschritten.
Die Dreier hatten wir vorher erst im Verein geübt und da habe ich es in Gegenposition gelernt. Das war unglaublich ungewohnt für mich und hat mich erstmal zurückgeworfen, denn ich habe sie genau andersrum geübt bis dahin. Danach verwendete ich dann erstmal eine Woche drauf, es neu zu lernen und nun war ich im Training und, surprise, meine Trainerin meinte, das wäre schon richtig so gewesen… Perfekte Verwirrung.
Gemischte Meinungen, was richtig ist
Sie meinte ich soll einfach im Verein fragen, was bei uns Standard wäre, und sie würde sich danach richten. Das habe ich dann auch so gemacht. Spoiler: Zwei Trainer meinten Gegenposition, zwei andere meinten ist egal. Ich mache jetzt einfach beides, tut ja nicht weh, mehr zu können als das Nötigste.
Auch bei den Dreiern wünschte sie sich dann wieder mehr Länge und eine kontrollierte Bewegung dabei, wenn man das Bein herum bringt. Ich übe nicht die Eistänzer-Variante (also zumindest das, was man öfter im Eistanz sieht) mit angelegtem freien Bein, sondern ich möchte schon, dass es eine größere Bewegung wird… Das ist aber gar nicht so leicht. Und v.a. muss man wirklich schön ins Knie und auf die Kante gehen und nicht einfach nur den Fuß rumreißen.
Trotzdem habe ich mich gefreut, denn dieses Element habe ich wirklich komplett allein gelernt. Und dafür hatte sie wirklich wenig Negatives zu sagen. Allgemein war die Kritik immer sehr hilfreich und positiv formuliert und nie herabsetzend. Auch alle Anweisungen waren super konkret und hilfreich, nichts vage oder dass man irgendwas irgendwie einfach fühlen soll. Ich fühle eh nix. Ich fühl, dass mir kalt ist.
Pirouetten
Am Schluss waren dann noch Pirouetten dran… Und die haben wir quasi komplett von Grund auf erarbeitet.
- Aus dem Stand die Arme langsam rum bringen
- Von leicht gebeugten Knien in die Streckung gehen und so Geschwindigkeit erzeugen
- Bein langsam hochbringen
- schön landen
Und das Beste daran war, dass ich dabei wirklich zum ersten Mal geschafft habe, auf dem Eis (off-ice ging es schon) eine einbeinige Pirouette zu machen.
Ich wollte das auch wirklich noch mal von Grund auf lernen, denn beim Training bisher war mein Problem, dass ich einfach nicht von dieser Zweibeinpirouette loskam.
Ich habe so viele hilfreiche Tipps an dieser Stelle bekommen, das kann ich gar nicht alles aufschreiben. Auf jeden Fall hat es dazu geführt, dass ich in einer Stunde riesen Fortschritte gemacht habe.
Abschließende Gedanken…
Ich war vorher echt skeptisch und war mir nicht sicher, ob so ein Online Eiskunstlauf-Training das richtige für mich ist. Zoom-Meetings auf Arbeit oder an der Uni fand ich immer schon grauenvoll, allein von der Qualität. Aber hier lief das echt super. Sie meinte auch, dass sie alles gut erkennen konnte und urteilend von den Tipps und dem Feedback, war das auf jeden Fall so. Denn so konkrete Hinweise kann man gar nicht geben, wenn man nichts sieht.
Alles in allem werde ich dieses Training solange weiter so nutzen wie es nur geht. Die Stunde war für mich ein voller Erfolg und ich bin richtig froh, dass ich es ausprobiert habe. Auch die off-ice Angebote sind super interessant für mich. Ich lese immer wieder, dass man als Anfänger genauso viel Zeit off-ice wie on-ice investieren solle. Aber das ist einfach viel leichter, wenn man einen Kurs besucht als wenn man allein so vor sich hin wurstelt zu Hause… Allein dieser accountability-Faktor bringt schon einen enormen Unterschied. Ich bin wirklich gespannt, was die Zukunft noch bringt und wie gut ich so jetzt mit dem Training und dem Feedback weiter komme. Ich freu mich einfach auf die nächsten Stunden…
Noch ein Tip für die Ausrüstung
Als Tipp zum Filmen beim Eislaufen kann ich ganz allgemein den JOBY Gorillapod* empfehlen. Ich habe diese Variante, dazu einen Kugelkopf* und den Handyhalter von Manfrotto*. Gibt aber auch etliche andere Kombinationen, wie zB. dieses fertige Set*.
Weiterlesen? Vielleicht interessiert dich dieser Beitrag, in dem ich von der zweiten Online-Stunde eine Woche drauf erzähle?
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