Tagesausflug nach Oberstdorf zum Eiskunstlauf-Training

Diese Woche waren wir das erste Mal seit dem Pfingst-Camp zu Training zurück in Oberstdorf. In München ist noch kein reguläres Training – d.h. vom Verein belegbare Eiszeiten in der neuen SAP-Halle, alles noch zu und die alten Räume natürlich nicht weiter verfügbar, stehen leer, weil Eiskunstlauf in Deutschland als Sport komplett vernachlässigt und ignoriert wird.

Dank der unbotmäßigen Münchner Zustände, die bereits seit 2019 eigentlich durch eine weitere Halle (dem Weststadion) behoben sein hätten können, müssen ambitionierte Sportler (also alle Sportler, die ansatzweise gut sein wollen, ergo jeder Leistungssportler aus München muss das) auf Oberstdorf zurückgreifen. In München gibt es bis zum Hochsommer nur Off-Ice-Training. Dazu bieten manche Trainer Wochenendstunden, ebenfalls in Oberstdorf.

Das ganze System ist eher suboptimal und für die Eltern natürlich mit unzähligen durch angemessene Förderung des Leistungssports komplett vermeidbaren Kosten verbunden. Viele nehmen sich am Wochenende ein Hotel, um dann einigermaßen viel zu trainieren. Dementsprechend überfüllt kann das Eis dann auch werden. Darunter leiden besonders Schulkinder, die keine andere Möglichkeit haben…. Wir haben sie, deshalb nutzen wir sie. – Aber wir sind die absolute Ausnahme! Die Mehrheit der Eltern kann sich weder leisten hier her zu fahren, noch haben sie die Zeit dazu. Wer nicht privilegiert und selbständig ist, benötigt ein Au-Pair, schätze ich mal, die dann die Kinder dort hin gurkt und zurück.

Soviel zu den bodenlosen Zuständen für den deutschen Eissport, über die ich mich stundenlang auslassen könnte… Zurück zur Reise. Für mich natürlich neu, hier außerhalb von Camp, Training und öffentlichem Lauf hinzufahren. Aber ich hatte es mir für diese Saison fest vorgenommen, das meinem Kind zu ermöglichen. Und es war wirklich eine gute Entscheidung.

Abgemeldet vom Kindergarten, sitzt meine Kleine mit mir im Zug nach Oberstdorf. Eine zweieinhalbstündige Reise ins Allgäu zum Eislaufen…

Man muss sehr viel Zeit einplanen, wenn man, wie wir, den Zug nimmt. Auto kommt für mich erstmal nicht in Frage. Ich finde es unnötig stressig. Die Reise ist schon zeitintensiv genug. Und so kann man wenigstens etwas arbeiten. Autofahrt dauert zudem fast genauso lang für uns dank Münchner Stadtverkehr und Trekkern auf den Straßen um Oberstdorf, hinter denen man auch gern mal länger hängen kann. Dazu kommen noch die horrenden Parkgebühren. Der einzige Vorteil vom Autofahren ist, dass man keinen Regenschirm braucht – ernsthaft.

Von unberechenbarem Wetter muss man nämlich echt ausgehen, das Allgäu ist dafür bekannt. Es ist sehr wechselhaft, v.a. an Tagen die so aussehen wie auf dem obigen Bild. Bei Losfahrt schien die Sonne, und in Oberstdorf war – wie mein Kind es ausdrückte – „Olchi-Wetter“.

Für den Weg vom Bahnhof bis zum Eissportzentrum braucht man ca. 15 min. Einen Roller mitzunehmen kann ich nicht empfehlen. Das hatten zwar mehrere andere Eltern geraten, aber es geht leicht bergauf und nervt eher. Einfach schnell laufen und gut. Ich möchte auch dazu sagen, dass ich das mit meinem Kind letztes Jahr nicht gemacht habe und auch nicht hätte. In dem Alter lohnt sich der Aufwand nicht unbedingt. Die Leistung ist sehr sehr tagesformabhängig. Und was am meisten zählt in Sachen Trainingseffekt sind die Stunden auf dem Eis und nicht immer nur das Technische. Mein Kind ist aber jetzt in einem Alter, wo sie eben genau davon profitiert. Deswegen haben wir uns für Patch statt öffentlichen Lauf entschieden. Das, und weil ich selbst auch laufen wollte und keinen Wert darauf lege, meine Pro-Kufen auf von Freestylern und Schulklassen runtergeschlittertem Öffi-Eis zu versauen. Mal abgesehen davon, dass es offiziell nicht einmal erlaubt ist, eine Pirouette zu drehen im öffentlichen Lauf.

An so einem tristen Wochentag im leeren ESZ anzukommen war schon seltsam und geisterhaft. Aber irgendwie auch cool. Definitiv schön, mal hier zu sein an einem ruhigen Tag. Als erstes durften wir wieder unsere Trainingskarten holen, die man mit der Rechnung ausgehändigt kriegt. Ich hatte nicht vorab überwiesen, da es zu kurzfristig für die Bestätigung des Zahlungseingangs gewesen wäre, aber ich denke, ein Eintritt auf Rechnung geht schon auch. Man sollte es halt absprechen vorher.

Ich war total überrascht, dass unsere Trainingskarten sogar für diesen einen Tag nur laminiert waren! Ich hätte nämlich damit gerechnet, dass man das bei so kurzen Aufenthalten nicht macht. Weil ich noch unsere Karten vom letzten und vorletzten Mal habe, kann ich aber bestätigen, dass sich unsere Teilnehmernummer jedesmal geändert hat. Warum das so ist, weiß ich nicht, und ich werde nächstes Mal definitiv nachfragen, ob wir zB. die alten Karten noch einmal nehmen können. Das wäre ja einfach umweltfreundlicher und alles…

Die Umkleide habe ich noch nie so sauber und leer gesehen, ich kam mir vor wie auf einem Bahnhof bei Nacht. Umziehen ohne irgendwas umzuschmeißen! Das Kind hat sich währenddessen schön aufgewärmt, Runden ums Foyer-Häusle gedreht und sich gestreckt. Zeit fürs Essen war auch.

Flieger-Stretching im Foyer

Das Training war in Halle 2. Ich mag die Halle ganz gern, aber man hat natürlich nicht so viel Platz. Ich mag auch, dass es keine Bande gibt, was irgendwie viele Leute zu stören scheint aber ich finde es sehr praktisch. Da kann nämlich nichts hinter die Bande fallen, zB. ein Kufenschoner oder die Jacke, die man dann von dort vorholen muss, weil sonst jemand drüber latscht oder es im Nassen liegt.

Zuerst war meine Tochter dran. Ihr Trainingsteil sah ähnlich aus zu dem, was wir sonst auch in München machen. Ich hatte vorher ein paar Sachen besprochen mit der Trainerin, an denen sie gerade übt. Allerdings mische ich mich dann nicht weiter ein und lasse die hier machen, man muss sich ja auch erst mal kennen lernen und die Tagesform vom Kind, wie scharf die Kufen noch sind (aktuell eher ziemlich runter… auch nervig, und die Schuhe werden gerade zu klein) usw. spielt ja auch eine Rolle. Also, ich finde es jedenfalls wichtig, mit realistischen Erwartungen ranzugehen, wenn man mit einem neuen Trainer arbeitet, und nicht irgenwelche „Oh, arbeiten Sie bitte mit ihr am Axel“-Erwartungen anzubringen.

Trainingsinhalte:

  • Schritte und Koordinationsübungen zum Aufwärmen (zB. Ausfallschritte mit Armen überkopf oder von unten nach oben geführt mit Ausfallbewegung)
  • vw und rw üs im Kreis
  • Dreiersprung-Durchlauf im Detail (Vorübung für Axel, denn der ist genauso)
    • Körperspannungsübung: vw aw stehen vor Absprung möglichst lange (Einlaufhaltung nach Mohawk), danach rw aw stehen (Einlaufhaltung vor Mohawk) – beides lange halten, auf dem vollen kleinen Kreis
  • Dreiersprung Rittberger
  • Toeloop
    • Körperspannungsübungen: Außenkante nach ew-Dreier lange halten als Vorbereitung und um zB. das Toepick-Bein stabiler und weiter nach hinten bringen zu können
    • Durchlauf
  • Standpirouette
  • Sitzpirouette

Für mich das Gleiche. Eine Pause von 2-3 Wochen ist für mich schon lang, und ich wusste ja gar nicht, wie es sich anfühlen wird auf dem Eis zu sein…

Meinem Kind hat es auf jeden Fall richtig gefallen. Ich glaube, für sie war es auch schön, ein neues Gesicht zu sehen, wieder hier zu sein. Sie liebt Oberstdorf einfach total. Es ist ja auch einfach ne schöne Anlage. V.a. wenn ich an München und die neue Gruselgrotte denke, die sie uns da hinsetzen, und die dann mit Hockey-Gestank und Basketball-Gelärme aus der angeblich-dritten-Eishalle-jetzt-doch-dämliche-unnötige-Mehrzweckhalle-äh-nee-nicht-mal-das-räudige-Basketballhalle teilen müssen… Ja… Freut man sich natürlich, solange man das mental noch aufschieben kann. Das wird ja auch noch mal ein richtiger Abstieg auf allen Ebenen, menschlich, wirtschaftlich und sportlich.

Ich versuche diese miserablen Zustände so lange wie möglich von uns fern zu halten und meinem Kind eine schöne Zeit zu ermöglichen. In diesem Sport heißt es leider allgemein sehr oft einfach „Augen zu und durch“. Man kann viele Sachen nicht ändern. Entweder geht man woanders hin oder lebt damit. Ich kann mich ins Auto setzen und über die vertane Zeit rumheulen oder den Laptop mitnehmen und was Sinnvolles tun. Das entscheidet man selbst. Übrigens auch der Grund, warum so viele Mütter von Eiskunstläufern nicht oder nur in sehr geringem Umfang erwerbstätig sind. Probleme, über die man tagelang reden könnte und müsste. Doch die Frage der Sportförderung interessiert in München nicht. Man überlässt das Feld lieber der Konkurrenz und brüstet sich aber nach außen mit einem chicen Gebäude. Was die Sportler, die keinen Megasponsor-Sport wie Hockey betreiben, davon halten, interessiert nicht. Können sehen, wo sie bleiben. Ich weiß das alles und es ärgert mich. Aber ich weiß auch, dass es komplett sinnlos ist, darüber viel nachzudenken, denn München ist viel zu langsam und für die Generation meines Kindes werden sie sowieso nichts Sinnvolles mehr tun. Das einzige, was ich hoffe, ist dass mehr Eltern aufstehen, es sich nicht gefallen lassen, und wenigstens darüber sprechen und auch vielleicht schreiben, wie ich hier, so dass das Thema irgendwann einmal die verdiente Aufmersamkeit bekommt.

Sie malt im Zug, während ich was arbeite… Normal, wenn man Leistungssport macht.

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