Der letzte Tag ist immer irgendwie blöd. Beim Urlaub, auf einer Konferenz, egal welche Reise es ist, irgendwann kommt immer dieser Moment, wo der letzte Tag erst fühlbar näher rückt und dann eben da ist. Ich bin kein sentimentaler Typ, aber es betrübt mich trotzdem immer ein bisschen.
Letztes Jahr, bei unserem ersten Camp, war es schon irgendwie alles sehr viel. Ungewohntes an allen Ecken, ungeklärte Fragen, sich diesem Trainingsplan unterordnen und alles danach ausrichten müssen, die ganzen verkorksten Eltern, bescheuerten Fehden und Geläster. Schon schräg, wenn man da das erste Mal dabei ist. Diesmal war’s komplett anders.
Ich kam da an, und ich wusste einfach was mich erwartet. Ich war damit nicht überfordert, sondern hab direkt einfach eine gewisse Abgebrühtheit aus dem Nähkästchen geholt und mir gedacht „Naja, wer mich nicht mag, kann mich am Arsch lecken“, und „Naja, der Trainingsplan ist so wie er ist – schlimmer geht immer.“ Die zwei Dinge, meiner Meinung nach die Schlüssel zu einem entspannten Aufenthalt in O-Dorf. Geht natürlich nicht immer, aber so als Grundeinstellung: Je mehr Gleichgültigkeit gegenüber Dingen und bekloppten Leuten, die man (beide) eh nicht ändern kann, desto besser. Auf sich selbst konzentrieren, den Rest ignorieren (oder mit Leuten, die es versehen, drüber vom Leder ziehen).
In diesem Sinne habe ich Oberstdorf jedenfalls ganz anders erlebt als in der letzten Saison. Besser auf jeden Fall. Nur zu viel Gepäck hatten wir, dazu muss ich hier auch noch mal was schreiben…
Weil es mir diesmal besser gefallen hat, war es aber auch schwerer zu gehen. Letztes Mal hatte ich irgendwie das Gefühl, wir hatten nicht viele Fortschritte gemacht. Das Training ging halt weiter wie bisher auch, nur etwas intensiver. Aber es gab keine großen Sprünge oder Erfolge. Und ich weiß noch, wie ich am letzten Tag dachte, es wäre schön, wenn mein Kind dies und das noch schaffen würde. Diese letzte Stunde war sie aber müde und völlig gaga, und dann sind wir abgefahren und es war irgendwie seltsam.
Was wir gelernt haben
Dieses Jahr haben wir aber beide gute Fortschritte gemacht, eben auch, weil wir beide schon auf einem komplett anderen Niveau gestartet waren.
Meine Fortschritte:
- bessere Koordination bei Schritten
- neue Koordinationsübungen gelernt und alte vertieft
- viele rw Kanten geübt
- Crossrolls richtig gelernt
- Einbeinpirouette allmählich verbessert
- Dreiersprung korrekt geübt (trotz stumpfer Kufen, yes!)
Aber der größte Fortschritt von allen für mich war, dass ich komplett meine Angst bzw. das Gefühl der Deplaziertheit abgelegt habe. Ich habe mich letztes Jahr so lächerlich und dumm gefühlt in diesen heiligen Hallen da, einfach 100% unwohl und fehl am Platz. Ich fahre jetzt auch nicht um Welten besser (aber schon deutlich, muss man sagen) als letztes Jahr, aber was ich endlich geschafft habe, ist einfach komplett auf alle dummen Meinungen zu scheißen.
Mir ist herzlich egal, ob irgendwelche Weiber, die selber noch nie einen Schlittschuh anhatten, denken dass ich bekloppt aussehe. Hallo? Wen willst du beleidigen? Ich weiß, dass ich bekloppt aussehe. Man sieht zwangsläufig eine ganze lange Weile völlig bescheuert aus auf dem Eis. Und sich an Kindern zu messen, die das seit ihrem 3. Lebensjahr machen ist noch eine Größenordnung bescheuerter. Mach ich nicht mehr.
Das hat mir ungemein geholfen, allgemein besser zu fahren. Letztes Jahr war das wirklich wie ein unerträgliches Gewicht der Peinlichkeit auf den Schultern. Bloß nicht noch dümmer aussehen als man sich eh schon fühlt. Wenigstens elegante Klamotten anhaben, wenn der Rücken schon krumm ist und der Schwangerschaftsspeck nach 5 Jahren immer noch nicht weg. Heute denke ich: Hauptsache diszipliniert arbeiten. Es ist völlig egal, ob es blöde aussieht. Das Ziel ist natürlich, dass es das nicht mehr tut. Aber wenn man darüber anfängt nachzudenken, wie Andere einen sehen, stellt man sich einfach selbst ein Bein. Die meisten sind mit sich beschäftigt, und wer ernsthaft die Kapazität hat, sich über erwachsene Anfänger auszulassen, ist komplett lost und im Zweifelsfall ein neidischer unzufriedener Kleingeist.
(Ja, es gibt Anfänger, die nerven, aber wenn wir ernsthaft generell diskutieren, ob nur noch Kinder einen Sport ausüben dürfen, dann sind wir aber ganz ganz nah an super toxischem Territorium. – Nein, Sport ist für alle und muss es auch sein, und je mehr Leute diesen Sport machen, desto besser ist das für den Eiskunstlauf!)
Trainingsplan
- 9:15 Kondi
- 12:20 Eis, Kind
- 13:20 Eis, ich
- 16:50 Eis, Kind
Der Tag fing leider sehr stressig an, denn wir mussten 10:00 schon aus der Bude raus. Gott, wie ich das hasse. Nächstes Mal muss ich echt drauf achten und eher buchen. 10:00 Uhr ist Mord.
Also standen wir 7:00 auf und hetzten dann bis 8, um alles wegzuräumen, sauber zu machen und dann noch kurz zu frühstücken. Dann weiter den ganzen Schrott ins Auto frampfen. Meine Fresse, war das ein beschissenes Chaos.
Es klappte wirklich auf die Sekunde genau, dass das Schätzchen noch pünktlich zum Kondi kam. In der Zeit verpackte ich im Parkhaus die Geschenke für unsere Trainer (ich schenke zu jedem Saisonende was Essbares; manche schenken auch Blumen und Schoki usw. Ist jetzt nicht völlig ungewöhnlich).
Ich wurde gerade so fertig, so dass ich zum Ende vom Kondi wieder im Foyer war. Da kam mir die freche Möhre auch schon entgegengesprungen und war nicht zu bändigen. Dann ging es aber erst mal zum Bäcker, bzw…. äh, nicht zum Bäcker, sondern zu einem niedlichen Café namens SHOKO.
Die Bäcker waren nämlich voll und irgendwie schmeckt da auch nirgends der Kaffee. In dieser ruhigen Seitenstraße ist es dagegen echt total idyllisch und dieses eine Café kann ich sehr empfehlen! Die Besitzer sind super nett und es gibt eine riesen Auswahl an besonderen Pralinen.
Wir hatten eine Käseplatte und dazu Cappuccino und das Kind hatte einen Teller mit kleinen Mini-Pfannkuchen, die es gierig runtergeschlungen hat. (Es ist by the way echt unglaublich, wie viel mein Kind während so einer intensiven Trainingswoche verdrückt. Das haut so unglaublich rein. Mir selbst geht es nicht sooo schlimm, aber man merkt es schon.)
Danach ging es zurück aufs Eis, erst fürs Kind, dann für mich. Die Stunde war echt total süß, da auch drei Fördergruppenkinder dabei waren. Die drei großen durften dann die drei Kleinen „trainieren“. Jeder bekam einen Schüler zugeteilt und musste ihm den Dreiersprung zeigen. Das war sowas von goldig, hätte mich wegschmeißen können. Mein Kind hatte auch total Spaß dabei.
Das hat mich auch wieder zurück versetzt zu letztem Jahr. Da war meine ja noch in der Fördergruppe und man merkt echt nicht als Elternteil, wie verdammt „pflegeintensiv“ diese Kleinen sind. Die sind noch so tapsig, müssen alles dreimal so oft gesagt kriegen, und steuern ein bisschen hilflos übers Eis. Wenn ich mein Kind jetzt im Vergleich sehe, kommt sie mir so groß und fast schon altklug vor, und unheimlich diszipliniert. (Dabei ist sie natürlich ne alberne Frechmöhre… aber das ist auch gut so. Sie lacht wenigstens auf dem Eis. Wenn ich Kinder sehe, die nicht mehr albern sind in dem Alter, macht mich das immer eher nachdenklich…).
Ablauf erste Trainingsstunde
Ansonsten war die erste Stunde unspektakulär. Viele Schritte. Danach war ich kurz dran, so 10-15 min. Aber unsere Trainerin gab sich alle Mühe, mir so viele Übungen wie möglich zur Verfügung zu stellen, so dass ich dann alleine weiter üben konnte, was ich auch gemacht habe.
- rw üs, einwärts stehen
- rw üs, ew Ausfallschritt
- rw üs, Auslauf (aw stehen), dabei Kopf in richtige Richtung wenden bei der Fahrt(!)
- vw Schlangenlinien (rw wurde noch mal erklärt, klappt auch minimal besser aber noch nichts Vorzeigbares)
- vw ew Mohawk auf Kreis (wie Dreierwalzer aber mit Mhk)
- Zirkel (aus ew Dreier)
Ein paar Sachen hab ich auch einfach so weiter geübt, zB.
- vw Crossrolls
- Übersetzen
- Dreierwalzer
Und dann kam der schwierigste Teil des Tages: das Kind im Auto zum Schlafen hinlegen. Das haben wir letztes Jahr schon gemacht, als der Plan keine gute Pause zuließ und sie mit zunehmender Stunde immer wuschliger wurde. Irgendwann ab 2 gehen dann gern mal die Lichter aus, was auf dem Eis zu so ätzenden Sachen wie Zusammenstößen im schlimmsten Fall oder vergeudetem Geld, weil das Kind nicht zuhört und nichts lernt, im besten Fall führt. Also haben wir den Fahrersitz flach gelegt (woanders war kein Platz) und mein Mann hat sich dahinter eingeklemmt und dem Kind beim Schlummern zugeschaut. Ich hab da letztes Jahr direkt mitgepennt, und bin genau 10 min bevor das Kind wach wurde eingeknackt… wie es immer so ist…
Die letzte Stunde
Der Ablauf der letzten Stunde war:
- Aufwärmen
- Matrosenschritt
- Doppeldreier aw
- Twizzles
- Flieger aw Bögen, dann ew
- vw-rw üs (via Mhk auf Kreis)
- Spagatsprung Flip
- Salchow
- Toeloop
- Lutz Vorübungen halb
- Lutz
- Waage Pirouetten
- Improvisieren, Cantilever/Mond, Knee-Slide,…
Ich hatte mich zwar mental von Wunschvorstellungen für die letzte Stunde verabschiedet. Aber natürlich ist man jetzt nicht gerade traurig, wenn es in der letzten Trainingseinheit noch mal richtig gut läuft. Deswegen habe ich dem Kind dann auch vorher erklärt, dass es richtig cool wäre, wenn sie ihren Lutz hinrkriegen würde. An dem übt sie jetzt schon ne Weile, und da auch der Flip immer besser wurde, war es gar nicht mehr so weit weg irgendwie. Das, und schöne Arme wollte ich sehen. Und das Kind hat’s hingekriegt! Schön auch, dass wir in der 2 waren und deshalb ganz nah dran sitzen konnten. Irgendwie hassen alle diese Halle… ich lieb sie. Find die super.
Sie hat jedenfalls endlich ihren Lutz gerade bis außen abgesprungen, was richtig richtig gut ist. Ich hab mich total gefreut.
Es ist normal, dass es erst mal nur gerade und/oder auf zwei Beinen gelandet klappt. Besser das als ein schön gelandeter Flutz. Den braucht keiner.
Was auch richtig cool ist, wie sie in der Luft-Position „steht“. Das kann man sich mal bei diversen YouTube-Videos anschauen, da sieht man immer wieder wie der Lutz quasi wie so ein „zweifüßiges sich-Aufrichten“ wirkt. Und genau daran sieht man auch, dass er eben anders aussieht als die anderen Sprünge.
Ich hab das direkt ohne Zeitlupe schon gesehen, dass es endlich geklappt hat, und mich sehr gefreut. Genau das Gleiche auch bei Toeloop. Zwar ist die Haltung vom freien Fuß (sollte ähnlich sein wie beim Zirkel) noch nicht perfekt aber der grobmotorische Bewegungsablauf ist richtig. Bei der Bewegung hilft es die Hüfte zu öffnen, weshalb auch der Tipp mit dem Zirkel irreführend sein kann für manche, weil sie dann die Beine eher zusammendrücken. Bei uns hat die Vorstellung aber eher geholfen, weil die Fersenposition das Problem war. Ich hab das Problem beim Toeloop übrigens auch. Zwar verstehe ich die Bewegung komplett und mache den Durchlauf auch richtig, aber wenn ich es dann (selbst an der Bande) probiere, kommt trotzdem oft ein toe waltz raus, weil die Kraft fehlt. Kraft und Übung sind einfach die zwei Hauptfaktoren für den Sport, kann man nix sagen. Je mehr km auf dem Eis, desto einfacher ist alles. Desto schneller macht es auch Klick. Vielleicht habe ich auch deshalb jedes Mal das Gefühl gehabt, dass nach dem Camp oder währenddessen irgendwie ein geistiger Sprung da war. Zwar war es letztes Mal nicht so gut wie jetzt, aber trotzdem haben wir viel gelernt. Von den Übungen, die ich da mitbekommen habe, habe ich ein ganzes Jahr gezehrt, und jetzt wird es auch wieder so sein.
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