Ich wollte schon immer mal Kunststoff-Eis testen. Die Idee arbeitete in meinem Hinterkopf seit wir angefangen hatten mit Eiskunstlauf. Vor allem im Sommer. Ich muss sagen, dass ich Rollschuhlaufen auch wirklich grauenvoll finde, und dem nichts abgewinnen kann. So wenig, dass ich lieber einmal pro Woche nach Oberstdorf fahre als zu diesem sängend heißen deprimierend hässlichen Betonrest von unserem Stadion. Dann lieber gar nicht.
Ist Kunststoff-Eis wirklich eine brauchbare Alternative?
Aber „Polyglide“, „Glice“ und diverse Noname-Eishersteller lassen einen ja träumen, dass man sich dieses Zeug in die Wohnung legen könnte und dann wenigstens ein paar Pirouetten üben…
Meine Motivation sind zumindest Pirouetten. Ich habe nicht viel Platz, ich habe nicht vor, welchen zu mieten. Aber ich würde gern meine Pirouetten verbessern. Das erfordert keine große Fläche, und irgendwie wäre es ja cool, ab und zu einfach das Plastik-Eis rauszuholen und zu üben – wann immer es gerade passt.
Mir war wichtig, dass das Kunststoff-Eis als Verbrauchsgegenstand
- billig,
- kunstlaufgeeignet und
- leicht aufzubauen und abzubauen
war. Und ohne Kostenvoranschlag schnell bestellbar. Letzteres nervt mich tatsächlich sehr – ich sehe einfach nicht ein, mir als Kunde erst die Mühe zu machen, einen Hersteller zu kontaktieren, der aus nicht nachvollziehbaren Gründen keine Listenpreise hat, und mir dann ein „individuelles“ Angebot machen will. (Und nein, bei Meterware(!!) existieren keine nachvollziehbaren Gründe für mich. Schreibt es gefälligst hin, wie schwer kann das sein?) Ich meine: Was heißt das denn? Dass ein anderer Kunde ggf. ein besseres Angebot bekommt, weil dieser vielleicht besser verhandeln kann oder als Inflencer auftritt, oder was? Diese Intransparenz ist mir leider schon zu unsympathisch, um an solche Marken heran zu treten. Preise sollten transparent sein.
Wie dem auch so, so kam’s, dass ich dieses Billo-Amazon-Eis mal bestellt habe. Ich hatte auch überlegt, eine öffentliche Eisfläche mit Plastik-Eis zu testen, in München gibt es zwei oder drei, aber die sehen alle so dermaßen abgeranzt aus, dass ich darauf auch keine Lust hatte.
Aufbau
Der Aufbau war super einfach und geradezu. Einfach hinlegen, schräg halten, drauf hauen, umklappen, fertig. Und genauso lässt es sich auch wieder zerlegen, so dass ich jetzt einen Stapel von 3 „Streifen“ Eis à 1.50m unterm Sofa liegen habe, den ich jederzeit herausholen kann.
Kunststoff-Eis „FAQs“
Nun aber zur Benutzung, und der Frage, was man damit machen kann.
Ist es wirklich „self-lubricating“ oder selbstfettend?
Ja, das Kunststoff-Eis, das ich bestellt habe, ist selbstbefeuchtend. Es scheint eine Art Mineralöl zu enthalten, dass nach und nach austritt und das ganze schmiert. Es fühlt sich definitiv ölig an und man sollte nicht barfuß oder mit Socken darauf herumlaufen, da es sehr rutschig ist.
Gleitet es mehr oder weniger?
Das Kunsteis ist schon irgendwie nachgiebig und weich, definitiv weicher als Hockeyeis. Aber es hat nicht die gleiche Gleitfähigkeit. Es bremst deutlich aus und zu Drehen fällt darauf deutlich schwerer. Im Vergleich zu dem, wie sich Rollkunstlauf anfühlt, ist es aber total klasse. Also man kann nicht sagen, dass es ein schlechterer Ersatz wäre als Rollkunstlauf, und ich denke, dass es v.a. im Sommer wirklich eine sinnvolle Alternative wäre.
Wie stark nutzen sich die Kufen ab?
Interpolieren ist schwer, aber ich würde sagen, die Kufen werden etwa 5× stärker beansprucht als auf richtigem Eis. Man merkt definitiv schon nach minimalem Fahren einen großen Unterschied, was extrem enttäuschend ist. Es lohnt sich nur, wenn man oft schleifen lassen kann, oder ein paar Ersatzschuhe hat. Ich habe zwei Paar, deswegen ist es für mich nicht so schlimm. Hätte ich nur ein Paar Schlittschuhe, muss ich ehrlich sagen, wäre mir das schon zu dumm gewesen, da eigentlich klar ist, dass es für die Kufen absolut räudig ist.
Im Internet kursieren auch (v.a. von Herstellerseite) sehr viele Behauptungen, dass man ja „nur“ einen stärkeren Hohlschliff bräuchte. Die Frage wäre dann aber, inwiefern das irgendeinen Benefit abseits der Kunststoffeis-Nutzung hätte. Hat es meiner Meinung nach nämlich nicht.
Um einen stärkeren Schliff zu bekommen, muss man logischerweise die Krümmung ändern, und damit hat man zwar tiefere Kanten, allerdings auch mehr Material abgetragen. Die Kufe hat nur eine gewisse Tiefe und es wird effektiv mehr Material abgetragen. Lohnen tut sich das nur für Eiskunstläufer, die auch entsprechend fahren. Aber für einen Hobby-Läufer hat das ja auf dem Eis keinen Nutzen. Und man muss ja dem Schliff auch erst entsprechend Kraft entgegensetzen. Dieser wäre dann also wofür – nur das Kunststoffeis? Okay…
Wie gesagt, das lohnt sich nur, wenn man auch zwei Paar Schuhe hat – oder ein Schleifgerät. Ich hab mir das Eis bestellt, um zu sehen, wie sich sowas anfühlt. Den einen Schliff es mir wert, dem innerlich abzuschwören. Die ganze Übung hat mir v.a. die Erkenntnis gebracht, dass das nichts ist, dem ich in irgendeiner Weise nachtrauere, weil ich nicht dauerhaft den Platz habe, mir irgendwo Kunststoff-Eis in die Bude zu legen. Für den Sommer, könnte man überlegen, ja… Aber auch da müsste ich sagen: Eigentlich nur, wenn das Kunststoff-Eis die entsprechende Qualität hat.
Wieviel Abrieb entsteht und wie stark nutzt sich das Eis ab?
Ein weiterer Punkt, den man auch unterschätzt, ist der Kunststoff-Abrieb. Dieser gehört in den Restmüll und muss von den Kufen, der Fläche und der Wohnung entfernt werden. Wegen den selbstfettenden Eigenschaften sollte man aber auch nicht zu viel auf der Fläche herum wischen oder sie betreten. Ist also auch die Frage, wie gut man das mit einer größeren Fläche schaffen kann, zB. wenn man sich diese in die Garage legt (was ursprünglich mein Plan war, aber ich bin einfach nicht überzeugt…). Es sollte aber auf jeden Fall regelmäßig gemacht werden. Das ist auch nichts, was man einatmen oder anderweitig aufnehmen und verteilen möchte. Der Abrieb ist erheblich, wie man auf den Bildern sehen kann.
Ich denke auch nicht, dass eine günstige Eisfläche lange halten kann. Die Abnutzung bereits nach wenigen Dreierschritten war sehr stark und man sieht bleibende Krater und Furchen. Diese verschwinden auch nicht mit der Zeit. Für Sprünge bräuchte man definitiv etwas hochwertigeres (aber wie gesagt, mein Ziel war ja „nur“ Pirouetten darauf zu versuchen).
Geräusche und Nutzbarkeit
Ich hatte damit gerechnet, dass das Eis nicht lautlos sein würde, auch wenn ich einen sehr festen Untergrund habe und dicke Wände. Allerdings hat das von mir verwendete Kunststoff-Eis eine Hohlstruktur, so dass es leichter ist (was auch okay für mich war, ich wollte darauf nie Sprünge üben), was aber natürlich auch einen Resonanzkörper schafft. Inwiefern das bei höherwertigem Fake-Eis der Fall ist, weiß ich nicht. Ich weiß aber, dass die Platten allgemein eine schwerere Qualität haben. Trotzdem denke ich, dass man diesen Geräuschfaktor, v.a. in einem Altbau oder mit empfindlichen Nachbarn, auf keinen Fall unterschätzen darf…
Eigenschaften des Kunststoff-Eises
Hier werden natürlich die Hersteller angeblich besserer Produkte anderer Meinung sein. Da die meisten Leute noch nie auf sowas gefahren sind, kann es auch keiner widerlegen. Auch ich habe eine Glice-Bahn zB. nur mit den Händen angefasst – drauf stellen wollte ich mich da nicht. Es sah auch nicht besonders vertrauenswürdig aus. Und sofern ich nicht konkrete Messdaten sehe, glaube ich auch nicht, dass die Abnutzung der Kufe weniger dramatisch ist als bei anderen Kunststoff-Eis-Herstellern. Oder angemessen in Vergleich zu richtigem Eis.
Fazit: Ist Kunststoff-Eis eine Alternative zu richtigem Eis?
Nein. Absolut nicht. Nichts hat die gleichen guten Gleiteigenschaften wie Eis. Und das meine ich jetzt auch losgelöst von meinem Test mit dem Billig-Kunststoff-Eis. Dieser Versuch hat mir nur einmal mehr gezeigt, dass man sich eben oft etwas vormacht. Manche Leute reden sich ein, sie brauchen hochpreisige Stiefel, andere steigen zu früh auf Pro-Kufen um, obwohl es gar keinen Nutzen hat, wieder andere legen sich Kunsteis in die Bude. Und letztlich ist das auch individuell. Mag sein, dass es Leute gibt, die damit „klar kommen“. Klar kommen ist aber nicht das gleiche wie „krass profitieren“. Es wäre die Frage, ob man zB etwas gewinnt, wenn man einen Trainingsort, der ansonsten im Sommer geschlossen wäre, mit solchem (aber dem hochwertigeren natürlich) Eis ausstattet. Das ist aber nicht die Frage dieses Posts. Für die Privatperson ist das Zeug wohl meistens eher nichts.
Hochwertige Kunststoff-Eis Marken
Trotzdem möchte ich euch die beiden hochpreisigeren Produkte hier verlinken, die mir auf Social Media aufgefallen sind, das sind die Marken:
Glice liefert ganze Komplettpakete mit Bande und allem. Die Marke ist ziemlich bekannt. Skate Ice ist eine neue Marke, von den Machern von Der Skate Club, einem sehr guten Tutorial-Kanal für Eiskunstlauf.
Ich habe diese Marken wie gesagt nicht getestet und kann deswegen nichts zum Qualitätsunterschied sagen. Ich denke aber, dass die gängigen Argumente für viele Leute einfach nicht relevant sind.
Mich interessiert als Privatperson nicht, ob
- sich die Kufen minimal weniger abnutzen, wenn sie im Vergleich zu normalem Eis trotzdem deutlich stärker beansprucht werden;
- das Ganze stabil und ästhetisch angenehm ist, wenn es genauso viel Krach verursacht wie die Billo-Variante von Amazon;
- es leicht aufzubauen ist, wenn es nicht leicht abzubauen ist;
- es 800€ oder 1000€ kostet, sich das in die Wohnung zu legen oder
- man darauf jetzt 3 oder 5 Jahre fahren kann – in der Theorie.
Das alles sind doch nur Fakten, die auf dem Portfolio des Herstellers gut aussehen, aber mich als Eiskunstläufer nicht tangieren. Was mich interessiert ist einzig und allein, wie nah die Oberfläche an echtem Eis ist. Und nein, ich glaube nicht, dass selbst das teuerste Kunststoff-Eis da auch nur ansatzweise ran kommt.
Video
Wer das ganze noch nicht wirklich live aber in Farbe sehen will, kann sich hier mein TikTok-Video dazu angucken, in dem ich es im Zeitraffer aufbaue und bisschen drauf herum fahre (so gut das halt geht).
@figureskating.for.two I put some plastic ice on my floor and tried to spin on it and it was meh… #adultfigureskater #adultsskatetoo #figureskating #spinstruggles ♬ Up Piano version By Jose España – José España 🎹
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