Was dem Erwachsenensport im Eiskunstlauf fehlt

Immer mehr Erwachsene interessieren sich für Eiskunstlauf, aber der Sport geht nicht mit der Zeit, gezielte Angebote und Eiszeiten für Eiskunstläufer sind rar, und oft macht man nur langsam Fortschritte.

Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich versuchte an der Bande meine ersten Eiskunstlaufschritte zu lernen. Ich wollte gern einen Dreierschritt üben, erst mal auf zwei Beinen. Aber da hieß es nur: Mach doch erst mal die Laufschule fertig.

Die Basics zu lernen ist natürlich wichtig. Das Problem damit ist nur leider: Laufschule, wie man sie heutzutage vielerorts vorfindet, ist eigentlich auf Kleinkinder ausgelegt. Auf furchtlose, knuffige, dick wattierte Kleinkinder.

Auch ich habe so angefangen, in einer u5-Gruppe mit Slalomhütchen. Für die eine Erwachsenengruppe, die es zu der Zeit gab, war ich ja zu schlecht. Blöd nur, dass ich und die anderen Erwachsenen, die man so losgeworden war, den 3-Jährigen bloß im Weg waren und eine Gefahr für die und sich selbst darstellten. Obendrein ist es auch peinlich, demotivierend und lieblos, erwachsene Anfänger mit so kleinen Kindern in eine Gruppe zu stecken. Ich finde es geradezu unangemessen. Stellt euch mal eine beliebige andere Sport-Gruppe mit 20 kleinen Jungs und Mädchen vor, und dann 3 alte Säcke und ich. Oder so im Badeanzug beim Schwimmkurs, oder auf einer Skipiste, wo sich dann der ungeschickte Opa schön hinlegt und dabei den 3-Jährigen umnietet… sehr sinnvoll (nicht). Aber beim Eislaufen geht das schon fit, ist klar. Komischerweise waren alle anderen Gruppen super streng nach Alter getrennt und wenn ich mal fragte, ob meine 5-Jährige, die Leistungssport macht und schon alle Sprünge konnte zu dem Zeitpunkt, vielleicht in eine Gruppe mit 8-Jährigen könnte statt zu den Anfängern, hieß es das sei nicht möglich… Interessant, oder? I have thoughts…

Erwachsene sind wichtig für den Eiskunstlauf

Meiner Meinung nach müssten deutschlandweit viel bessere Erwachsenenprogramme her, und die Vereine sollten endlich mal ehrlich zu sich selbst sein: Wir ach so unbeholfenen Erwachsenen sind ebenfalls zahlende Kunden, und ein wichtiger Teil der Zukunft dieses Sports, in den mehr und mehr ältere Läufer drängen.

Erwachsene sind es, die den Sport lebendig halten, die bleiben, wenn die Kinder zur Uni gehen und weg ziehen. Erwachsene sind es, die sich fit halten wollen, Zeit für sich suchen, eine Community aufbauen wollen, und langfristiges Interesse an dem Sport haben. Und Erwachsene sind es auch, die im Gegensatz zu den meisten digital völlig unbeholfenen Vereinen, dem Sport auf Social Media eine Plattform geben. Ich habe 2000 Follower (soll keine Angeberei sein, ich finde das auch nicht viele, aber ich finde es beachtlich, dass es überhaupt Leute gibt), die sich freiwillig angucken, wie ich an banalem Zeug auf dem Eis scheitere – und mein Verein hat nicht mal TikTok oder Instagram.

Mein Punkt: Erwachsene werden immer wichtiger für den Eiskunstlauf und die Präsenz des Sports jenseits der marktanteilig minderrelevanten Rentner-Medien, und wer das ignoriert, ist ein in der Vergangenheit festklebender Realitätsverweigerer.

In dem Screenshot oben sieht man zB. die Suchaufrufe weltweit zum Thema Eiskunstlauf-Unterricht. Wer googlet das wohl? Bestimmt keine kleinen Kinder… natürlich ist davon auszugehen, dass es hauptsächlich Erwachsene sind, die hier ein Interesse am Sport haben. Und ob das weltweit oder deutschlandweit ist, ist auch egal. Den Trend erkennt man auch ohne Statistik an den zunehmenden Zahlen von Eislauf-Social Media-Kanlälen. (Die deutsche Statistik auf Google Trends ist auch meistens wenig aussagekräftig, weil zu kleine Samples, deshalb habe ich hier ein internationales Beispiel genommen. Aber ich meine, ich habe ja selber tausende Aufrufe pro Monat auf diesem Blog – warum wohl?)

Das Eiskunstlauf-Training für Erwachsene ist leider oft frustrierend und langsam

Aber zurück zum Thema Training. Die Idee von „Laufschule“ ist schon etwas fragwürdig für Erwachsene, allein aufgrund der Beweglichkeit. Manche können zB. einfach keine Hocke machen. Und auch Bremsen und Fallen lernen ist viel schwerer, wenn man älter ist, da man wirklich Angst hat, zu stürzen. Kindern tut das effektiv weniger weh, denn die Kleiderschicht auf die sie fallen ist genauso dick, während sie selbst leicht und kurz sind. Ja, Kinder tun sich weniger weh bei Stürzen auf dem Eis, grundsätzlich.

Es müsste hier ein anderes Konzept her, das eine Mischung aus Technik und intuitivem Lernen ist. Erwachsene sind oft penibel und auf genaue technische Anweisungen aus. Das schreibe ich nicht nur, weil es mir so geht, sondern ich habe gerade erst mit mehreren Leuten auf Social Media und im Freundeskreis genau darüber geredet.

Vielen fehlt im Training dieser Aha-Effekt, dass man etwas so gesagt bekommt, dass man hinterher auch weiß, was man eigentlich mit seinen ganzen ungelenken Gliedmaßen machen soll. Und dazu kommt: Erwachsene haben deutlich weniger Zeit als Kinder. D.h. eine Trainingsstunde muss so komprimiert und gehaltvoll wie möglich sein. 10 Minuten rumübersetzen im Kreis ist für uns Zeitverschwendung. Das können wir allein üben im öffentlichen Lauf. Statt dessen sollte der Trainer die Technik des Übersetzens mehrfach(!) demonstrieren, erklären und statt 10 Minuten lang mit einem Kollegen zu quatschen, in der Zeit lieber alle einzelnen Schüler korrigieren. Ich meine, wenn man schon so viel Zeit damit vergeudet, kann man sie auch nutzen. Ich lerne jedenfalls nicht besser übersetzen, nur weil ich es länger mache. Dann mache ich es länger falsch – ja, toll, das bringt’s (nicht).

Du musst selbst aktiv werden, wenn du dich verbessern willst

Wegen solcher Sachen sollte man sich dann eben auch nicht ärgern, wenn man beim Training, das seit Jahrzehnten v.a. auf kleine Gummimenschen ausgelegt ist, nicht voran kommt, frustriert ist, und sich die ganze Zeit fragt, wann es denn jetzt endlich mit richtigem Kunstlauf losgeht. – Nie, die Antwort ist nie… ich kenne Leute, die seit 3 Jahren Laufschule machen, weil es keinen interessiert, ob sie vorankommmen. Du musst selbst aktiv werden, Privatstunden nehmen, oder sehr viel Glück mit deinem Verein haben, aber wenn du unzufrieden bist oder man dir wochenlang sagt, du bist noch nicht so weit, bitte mach dir nichts vor: Wir erwachsenen Anfänger werden konsequent vernachlässigt, und das obwohl das nur Breitensport ist, und man eh mal hinterfragen kann, was dieses elitäre Getue soll, wenn dann 3 von 300 vielleicht bei einem Wettbewerb mitfahren und nix gewinnen.

Man könnte die Frage so stellen: Wenn ich zu einem Firseursalon gehe und mir einen schönen Haarschnitt machen will, und der Friseur mir eine Glatze schneidet und dann behauptet, ich wäre noch nicht so weit, würdet ihr dann dafür zahlen und euch einreden, dass es euch steht? Also ich nicht. Es ist ein komisches Phänomen, dass man immer den Schülern die Schuld an allem gibt, was sie nicht verstehen. Ich habe selber an einer Uni unterrichtet, und ich sehe es komplett anders: Ein guter Professor kann jedem etwas beibringen – ein mieser Professor nur den Talentierten. An großartigen Talenten, die quasi jede Anweisung sofort aufsaugen wie ein Schwamm und alles nahtlos umsetzen, erkennt man keinen guten Trainer. Solche Leute kann jeder trainieren. Einen guten Trainer erkennt man daran, dass er sogar aus den miesesten, schlappsten und faulsten Schülern noch was raus holt. Aber leider sind die rar.

Mir ist es deshalb ein persönliches Anliegen, erwachsenen Anfängern im Eiskunstlauf den Rat mitzugeben, den ich gern gehabt hätte: Nehmt es so früh wie möglich selbst in die Hand, zB. durch:

  • gezieltes Üben mit einem eigenen Trainingsplan
  • gelegentlichen Privatstunden mit Hausaufgaben, was ihr allein üben könnt
  • Trainingscamps (für mich eine sehr tolle Erfahrung immer wieder in Oberstdorf)
  • Nutzen von Freieis-Zeiten im Verein oder öffentlichen Lauf (für Anfänger total ausreichend)
  • Off-Ice-Training nach Plan, am besten von einem erfahrenen Trainer

Dabei greife ich auch auf Online-Ressourcen zurück, wovon es mittlerweile wirklich viele gibt. Und ich würde sagen, wenn ich all diese Sachen nicht gemacht hätte und nur zum Vereinstraining gegangen wäre, dann könnte ich heute immer noch so gut wie gar nichts.

Ich sehe mich als absolut mittelmäßige Eisläuferin, aber das ist okay. Denn ich schulde niemandem, perfekt in meinen Hobbies zu sein. Ich bin schon eine sehr gute Zeichnerin, Musikerin und Läuferin. Das sind Hobbies, in denen ich mich langjährig qualifiziert habe, teilweise auf sehr hohem Niveau (10 Jahre Kunstschule, noch länger Musik incl. Orchester, Halbmarathon gelaufen – der Punkt ist, in allen diesen Hobbies war/bin ich besser als im Eislaufen… und?? Nix und!).

Eiskunstlauf ist für mich ein Hobby, das ich einfach nur gern mache, auch wenn die Fortschritte klein und langsam kommen. Das ist mir egal. In diesem elitären Anspruch, in meinem Alter noch das Maximum rausholen zu wollen, sehe ich eine Quelle von Stress, Verletzungen und Unzufriedenheit. Das ist nicht mein Ziel. Genauso wenig sehne ich mich auf so eine kindische Art nach Anerkennung durch andere im Verein höher gestellt Individuen wie Trainer oder bessere Läufer. Es ist toll, wenn jemand in diesem Sport gut ist und es zu etwas gebracht hat – wenn auch es mir wenig Respekt abnötigt, wenn ein Mensch, der mit 3 angefangen hat, jetzt mit 30 noch einen einfachen Axel kann. Das ist ja toll, aber ich habe auch 20 Jahre Gitarre gespielt – natürlich kann ich eine Tarantella. LOL. Fang mal mit 40 an und dann reiß was, wenn du 1-2 Stunden die Woche Zeit dafür hast. Will ich sehen. Diese Leute sind kein Maß für mich und ich mache diesen Sport für mich und nicht, um Letue zu beeindrucken. Ich habe einfach nur Freude an der Bewegung. Es ist wirklich krass, dass das neben Krafttraining der erste Sport ist, den ich einfach nur betreibe, weil es mir persönlich etwas gibt. Ich bin sogar am allerliebsten allein auf dem Eis. Ich brauche kein Publikum und keine Bestätigung. Das ist mir völlig egal. Das heißt aber nicht, dass ich die Elemente nicht technisch richtig machen will. Ich finde die Technik gerade sehr interessant und mich fasziniert es auf einer tieferen Ebene, wie man was korrekt macht. Es ist einfach eine Herausforderung an einen selbst, besser zu werden. Und Leute, die viel besser sind als ich sehe ich entweder als Inspiration oder ich sehe sie einfach losgelöst und neutral von meiner eigenen Leistung. Ich sehe andere Sportler nicht als Konkurrenz, und ich finde es völlig egal, ob ich im Training in einer Gruppe die Schlechteste, die Beste oder mittendrin bin. Man kann von jedem irgendwas lernen, selbst von einem blutigen Anfänger. Es ist einfach in sich interessant, und darüber hinaus ist es einfach toll, sich auch diese Zeit zu nehmen, teilzunehmen, raus zu kommen…

Es könnte so cool sein…

Ich teile diese Gedanken, weil ich die Perspektive von Erwachsenen im Eiskunstlauf betonen will und das einfach mal nach außen tragen möchte. Die meisten von uns sind einfach still und machen irgendwie ihr Ding. Und das ist schade. Wir sollten öfter sagen, was uns nervt aber auch was uns gefällt.

Ich zB. wünsche mir für das Training im Verein:

  • Off-Ice Angebote für Erwachsene
  • Ballett für Erwachsene
  • mehr Vereinsräumilchkeiten
  • einen regelmäßigen Stammtisch für erwachsene Sportler

und so weiter…

Und wenn ich das sage, bin ich mir sicher, dass es Menschen gibt, die sofort mit der Geld-Keule kommen. Aber im Ernst: Glaubt ihr nicht, wir können für all das ganz locker selber zahlen? Privatstunden kosten mich 60€/h. Glaubt ihr ernsthaft, ich wäre nicht in der Lage, ein paar Ocken für ein Gruppentraining für Off-Ice springen zu lassen, um meine Sprünge zu verbessern? – Ich mache das doch schon längst – für online Training.

Das Interesse ist ganz sicher da. Nur fehlen die Zeiten (nicht mittags, wenn wir alle arbeiten!) und Trainer (nein, es muss nicht jemand mit A-Schein sein!). Ich denke sogar, dass die Personalfrage nicht mal der Knackpunkt ist, sondern eher geeignete Räumlichkeiten zu finden, und das abends oder am Wochenende. Doch auch hier könnte man sicher etwas erreichen, wenn man wollte. Und in den nächsten Jahren wird sich zeigen, welcher Verein fortschrittlich ist. Wer sich bemüht, im Stadion Räume zu bekommen für solche Trainingsstunden. Und wer konservativ und rückschrittlich bleibt und die Erwachsenen Eiskunstlauf-Schüler weiter vernachlässigt.

Wie immer natürlich der Hinweis, dass die Erfahrungen der Leute, mit denen ich mich so unterhalte, nicht generalisierbar sind. Aber es ist doch erschreckend, wie oft, und aus wie vielen unterschiedlichen Ecken Deutschlands, ich die immer gleichen Geschichten höre. Und es immer entweder damit endet, dass die Leute irgendwo resignieren oder Privatstunden und Camps suchen. Das kann es nicht sein. Unsere lokalen Vereine können das besser!


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