Olympiaturm München

Eiskunstlauf in München… Eine traurige Bilanz für den Sport.

Heute bin ich wieder im Freien gefahren, aber nicht lange, denn gegen Saisonende kommen eigentlich immer viele Schulklassen ins Stadion. Die Münchner Schlulkassen haben ihren eigenen Tag dafür, aber die Schulen von außerhalb haben keine Berechtigung, den zu nutzen, und tauchen deshalb als unangemeldete Gruppe auf.

Das fördert gar nichts.

Ich persönlich finde, dass solche Schulausflüge ins Stadion für den Eissport einfach gar nichts Positives bewirken. Die Kinder finden so auch kein Interesse an dem Sport, denn das ist kein Sport, was sie da machen, und sie haben dabei sowieso keinerlei fachkundige Betreuung. Die Lehrer stehen genervt rum, können selber nicht fahren und schreien höchstens den Kindern irgendwas über die Eisfläche zu. Es wirkt mehr wie Beschäftigungstherapie nach dem Motto „Juhu, die Blagen haben mit sich zu tun, und wir können Wandertag abhaken ohne große Kosten und Mühe, check.“ Aber einen pädagogischen Nutzen haben solche Aktionen doch mal sowas von gar nicht.

Ich meine, das ist ja nicht einmal ein richtiger Wandertag oder Ausflugstag. Alle setzen sich in die S-Bahn, gurken nach München rein, schieben dann 1.5h auf dem Eis rum, und fahren wieder heim. Hä? Also zu meiner Schulzeit (das waren die 90er) wäre sowas niemals als Wandertag oder Ausflugstag genehmigt worden – weil es zu banal gewesen wäre, und zu wenig Bewegung. Wir mussten immer so mindestens drei Stunden durchs Gebüsch einen Berg hoch stapfen, und eventuell gab es dann als Belohnung oben in einer Spelunke eine Pizza. (Nix mit Abgammeln im Stadion und dann dort kompletten Blödsinn machen.) Ach ja, und hinterher musste man dann noch einen Bericht schreiben, was man gelernt hatte oder über irgendwelche Käfer und den tollen Trimm-dich-Pfad.

Die absolute Krönung ist es aber, wenn es dann noch heißt, das wäre irgendwie „wichtig für den Sport“ und würde irgendwas „fördern“ (habe ich ernsthaft schon öfter Leute sagen hören). So ein Nonsens. Das fördert gar nichts außer die Kasse vom Stadion. Und das (also die Einnahmen an sich) sei dem ja total gegönnt, verstehe ich auch – allgemein sollte es öffentlichen Lauf geben, damit Leute sich auf dem Eis bewegen, genauso wie man an anderen öffentlichen Orten Sport machen darf.

Aber im Sinne der wirklichen Förderung des Sports sollte es schon trotzdem viel mehr gezielte und sinnvolle Angebote für echte Sportarten wie eben Eiskunstlauf geben (kann auch gern teurer sein, damit es sich lohnt), und außerhalb vom Vereinssport zu arbeitnehmerfreundlichen Zeiten. Das wäre ja auch ein öffentlicher Nutzen, der dann auch wirklich dem Breitensport dienen würde, im Gegensatz zu „mit Kindern im Stadion Zeit totschlagen“ bei solchen Ausflügen, wo die sowieso nichts lernen.

Publikumslauf ist auch nur lukrativ, weil andere Angebote gar nicht existieren.

Naja, aber ich werde daran nichts ändern. Ich kann es nur nicht verstehen, dass man nicht mehr limitierte aber dafür wirkliche Sport-Angebote aufstellt, anstatt diese Eisschlacht im Publikumslauf immer weiter zu melken, als wäre es anders nicht möglich, ein Stadion zu finanzieren. Natürlich kommen morgens unter der Woche nur Studenten und Rentner und Schulklassen.

Wenn man das Stadion wirklich rentabel machen wollte, müsste man es einfach nur von zB. 15:00 nachmittags bis 10:00 Uhr morgens für die Öffentlichkeit zugänglich machen (mit entsprechenden Auflagen, damit es auch für Leute, die trainieren wollen, attraktiv ist), dann würde aber die Kasse klingeln! Es gäbe nämlich genug Eiskunstläufer, die das mit Handkuss sofort annehmen würden, wie man an den vollen Eiskunstlaufstunden im Olympiastadion sieht.

Das ist übrigens in Kanada oder sogar dem warmen Australien überhaupt kein Ding. Da kann man in vielen Zentren rund um die Uhr buchen und es gibt allgemein mehr Patch-Eis. Die Leute haben dort sogar Dächer über ihren Eisflächen, woohoo, und Shops und Cafés im Stadion… Nein…?! Undenkbar in Deutschland, ich weiß. Hier wird alles, was andernorts selbstverständlich ist, als unverschämter Luxus abgetan, und wem’s nicht passt, der soll doch „woanders hin gehen“. Ja. Diese argumentativ wertlosen „Ich hör dir nicht zu“-Sprüche aus aus dem geistigen Abfallcontainer kenne ich schon, danke.

Ich versuche schon, jenseits von dem, was ich hier manchmal einfach loswerden muss, an sich positiv zu denken. Man muss einfach mit dem leben, was man hat. Oder ich sage mir auch, dass München ja noch gut dran ist, dass es woanders noch übler ist. Ja, ja, ja. Man kann froh sein, dass es eine Halle gibt. Ich weiß.

Besser als Berlin? Wir sind nicht mal besser als Buxtehude.

Andererseits denke ich mir dann aber natürlich auch, dass München eine Großstadt ist, dass man sich v.a. politisch ja auch ständig über Berlin und andere Großstädte stellen will, was Lebensstandard angeht usw. Aber beim Sport, da hat man die Konkurrenz nicht nötig oder was? Es gibt eine einzige Halle mit Münchner PLZ. Berlin dagegen hat mindestens 5 Hallen laut Google Maps (und ich hab nicht mal genau gesucht und dann aufgehört zu zählen). Berlin hat gut 3.6 Mio Einwohner und München knapp 1.5 Mio. Um auf das gleiche Verhältnis von Hallen zu Einwohnern zu kommen, müsste München noch eine Halle bauen. München steht als Stadt zudem finanziell besser da, und ist historisch auch eher ein Wintersportzentrum als Berlin. Wir könnten also wirklich ein Eiskunstlaufzentrum sein, es läge nahe. Aber was machen wir? Richtig. Nichts. Nichts wird gemacht für den Sport.

Ich finde das wirklich traurig und es regt mich einfach auf. Das ständige blöde Gequatsche, dass man für das Minimum noch dankbar sein soll, nur weil es woanders „noch schlechter“ ist, finde ich auch völlig unverschämt. Was ist das denn bitte für ein Vergleich? „Uh, wir sind schon richtig räudig hier, aber schau mal, Buxtehude hat gar keine Eishalle“, oder was? Na, das ist ja ne Leistung, bravo, klatsch klatsch, fein gemacht, Millionenstadt München.

Übrigens gibt’s in 20 min Autoweg von Buxtehude eine Halle in Harsefeld mit der coolsten Adresse überhaupt, sie ist im Eishallenweg! Herrlich. So lange brauche ich übrigens auch mindestens von zu Hause bis in egal welches Stadion hier. Dank der chronisch unzuverlässigen S-Bahn meistens länger (aber daran ist natürlich auch nicht die Stadt schuld, sondern nur die dummen Arbeitnehmer, die sich darüber beschweren, dass sie weder mit dem Auto noch der Bahn pünktlich zur Arbeit kommen, außer sie verschenken jeden Tag ein bis zwei Stunden extra Lebenszeit, nur weil das ganze System so verdammt unberechenbar ist… Aber hey, da man in München lebt, hat man dann nach Feierabend nach einer weiteren Stunde Stau oder Warten, ob die S8 ausnahmsweise kommt, ja so richtig viel von der krassen „Lebensqualität“ hier, haha… Ihr mich auch. Oder wie der Berliner vielleicht schnippisch kontern könnte: Nicht arm… aber auch nicht sexy.)

Woanders geht’s doch auch. „Ja, dann geh doch da hin!“

Das einzige, was mich über diese ganzen Missstände hinweg tröstet, ist der Ausblick aufs Training in Oberstdorf oder auch Besuche dort. In Oberstdorf wird der Sport einfach ganz anders gehandhabt. Zwar hat jedes Leistungszentrum seine Probleme und sicher gibt es auch dort welche. Aber es ist einfach eine ganz andere Welt, ein anderes Niveau. Man hat das Gefühl, dass dem Sport ein gewisser Respekt entgegengebracht wird, und man bewegt sich dort als Eiskunstläufer einfach mit einem anderen Selbstverständnis als hier, wo man nur der Bittsteller der jeweiligen Hockey-Mannschaft ist, die gewollterweise ein Stadion am Laufen hält (weil man zu blöd oder zu arrogant ist, andere Geschäftsmodelle zu wagen, nicht weil’s nicht ginge).

Komischerweise würde ich als Eiskunstläuferin aber nicht her gehen und Hockey oder Eisstockschießen seine Existenzberechtigung absprechen oder arrogant daher reden, von wegen „die sollen doch froh sein“. Ich finde Koexistenz und Leben lassen total wichtig. Und auch wenn ich mich nicht freue, wenn ich von irgendeinem Freestyler halb umgerannt werde, ohne dass dieser per Lautsprecher eine bösartig formulierte Mahnung bekommt, aber wehe du machst mal eine Waagepirouette (auch wenn es leer ist), dann kommt sofort eine keifende Ansage… (Nee, ist klar… das ist natürlich gefährlicher als mit 30 Sachen durch die Mitte und an irgendwelchen Dreijährigen vorbei zu heizen. Vollstes Verständnis… nicht.) Auch wenn mich solches Verhalten und das Tolerieren dessen komplett abstößt, trotzdem finde ich, haben ja alle Sportarten ihre Daseinsberechtigung. Nur verstehe ich nicht, warum der Staat es nicht mehr fördert, warum vieles sich einfach „nicht gewollt“ anfühlt.

Man schaut als Eisläufer auf die Zustände und denkt sich einfach jeden Tag „Warum ist das so und nicht anders?“ Und da lasse ich mir auch nicht weismachen, dass es nicht lukrativ wäre, v.a. wenn es in anderen Ländern, wo das Ganze ja auch noch komplett privat finanziert ist, einfach läuft. Da müssen andere Probleme zugrunde liegen. Geld ist es garantiert nicht.

Immer die gleichen nie bewiesenen „Argumente“ gegen neue Öffnungszeiten

Ich glaube eher es fehlt am Willen, an den Leuten, also richtigen Machern, und man rennt an gegen altmodische dämliche Vorstellungen vom Sport und verstaubte Abläufe. Eben solcher Schwachsinn wie Vormittagslauf, wo keiner hinkommt, und dann heißt es die Schulklassen machen’s wenigstens lukrativ. Also man schafft ein unnötiges Problem durch dumme Öffnungszeiten und gleichzeitig noch eine unnötige Lösung für das unnötige Problem. Grandios.

Also ich meine, macht das Ding doch nachts auf, wie in Kanada auch. Wie schwer kann es bitte sein? Nur in München ist immer alles „neue“ ein riesen Problem. Nur in München geht man dann her und redet von unzumutbaren Arbeitszeiten und Leuten, die „ja auch mal ihre Ruhe wollen“. Also Dinge, die in anderen Berufen niemanden kratzen, weil man daran gewöhnt ist, dass diese Leute nachts arbeiten – und deswegen haben die dann kein Recht auf Nachtruhe oder so.

Also bei S-Bahn-Fahrern, Barkeepern, Taxifahrern oder Physikern im CERN, die da die Nachtschicht haben, oder Astronomen in der Sternwarte, da ist nachts arbeiten ganz normal… (Ich schreibe bewusst nicht Polizist und Krankenschwester, weil es nämlich auch genug Berufe gibt, in denen Leute nachts arbeiten und es akzeptiert ist, – weil man dran gewöhnt ist – wo es aber nicht um Leib und Leben geht.) Also da ist das völlig normal und wird nicht hinterfragt, dass die nachts arbeiten, weil der Bedarf ja da ist. Aber wenn man jetzt sagen würde, okay, bei Eiskunstlauf gibt es auch Bedarf, warum hat nicht einmal die Halle in so einer Großstadt wie München rund um die Uhr oder nachts auf, obwohl das in anderen Ländern Standard ist? Ja, also dann… dann geht es nicht mehr um Bedarf, sondern dann heißt es „Ja, die armen Mitarbeiter, das kann man denen ja nicht zumuten.“

Und ich gehe übrigens auch voll davon aus, dass die ganzen Leute, die sowas von sich geben, selber nicht mal im Schichtdienst gearbeitet haben. Dafür gibt es nämlich fette Zuschläge, und ich habe zB. selbst aus dem Grund ganz gerne mal einen Nachtdienst gemacht. Ich finde, da sollte man dann wenigstens die Betroffenen fragen, ob sie das wollen, mal abgesehen davon, dass man ja auch neue Stellen schaffen könnte und diese ja Leute wahrnehmen würden, die eben Nachtdienste machen wollen. Genau wie jemand ja weiß, bevor er zB. in einer Security Firma oder einer Bar anfängt, dass es dort viele Nachtschichten gibt. Angebot und Nachfrage!

Aber solche moralischen Totschlagargumente werden halt trotzdem gern ausgeschlachtet, wenn man keine richtigen Argumente vorweisen kann. Da schiebt man dann Mitleid mit Berufsgruppen vor, mit denen man gar nichts zu tun hat. Oder verknüpft es am besten noch mit ausgedachten Wertvorstellungen. Mein Favorit: „Irgendwas mit Christentum und Abendland“, das geht immer gut beim Phrasendreschen. Komisch, aber am heiligen bayerischen Sonntag hat das Stadion ja auch auf, wie geht denn das eigentlich?

Wann kommt endlich jemand und macht einfach ein reines Eiskunstlauf-Stadion auf?

Ich höre übrigens im Bekanntenkreis immer mal wieder von Plänen zu Vereinsgründungen oder sogar Hallenpläne. Ganz ehrlich, ich wäre als Fördermitglied sofort dabei, in München eine reine Eiskunstlaufhalle aufzubauen. Es ist überfällig und der Bedarf ist 100% da. 100%, garantiert. Die Leute würden sich darum kloppen. Das weiß ich, weil ich sie kenne und jeden Tag sehe. Wir könnten hier ein zweites Oberstdorf haben, wenn wir wollten. Die wichtige politische Frage am Ende ist also: Wer will nicht und warum? Bezahlbar ist es, tragbar ist es, förderlich ist es. Worauf wartet die Stadt? Warum gibt’s immer nur mehr Hockey-Sportstätten? Warum wird Eiskunstlauf allgemein so wenig gefördert, gerade in einem Wintersportland wie Bayern? Warum fördert Bayern den Sport nicht mehr und baut ihn richtig auf?

Ich weiß die Antwort darauf nicht. Und wie gesagt, allein schon, wenn es um Abläufe geht, hört man immer immer nur Pseudoargumente wie die, die ich erwähnt habe. Immer die gleichen Stammtischsprüche, an der Realität von Sportlern vorbei. Ich glaube nichts davon, und aufgrund meiner Erfahrung bin ich auch absolut überzeugt, dass es möglich wäre, ein Leistungszentrum Eiskunstlauf, und nur Eiskunstlauf, zu betreiben, natürlich mit ein paar voll-öffentlichen Stunden aber Focus auf Eiskunstlauf eben.

Der Grund, warum ich nicht selber los gehe und Sponsoren suche, ist mein Zeitmangel. Ich denke nämlich oft darüber nach, mein eigenes Ding zu gründen. Ich höre auch immer mal wieder von Leuten, die das gemacht haben und habe mich auch schon mit Eisbahnbetreibern unterhalten, über Technik, Energiekosten usw. Die sind tatsächlich happig. Aber wenn man bedenkt, was dieser Sport kostet, glaube ich nicht, dass das das große Hindernis ist. Ich meine, Schwimmhallen sind doch auch das ganze Jahr offen und werden beheizt. Das kann nicht viel billiger sein als eine Eishalle, und trotzdem leisten sich die meisten größeren Städte eine 50m-Bahn, aber noch lange nicht unbedingt eine Eishalle. Ist doch skurril.

Naja, ich bin fertig mit meinem Verriss. Ich habe alles gesagt. Ab und zu muss dieser Unmut einfach raus. Mag sein, dass vieles gut läuft. Ich gehe auch gern draußen eislaufen, wenn das Wetter schön ist. Aber ich denke trotzdem, dass die Stadt München, was Eiskunstlauf angeht, auf dem Holzweg ist. Allgemein finde ich, dass Sport staatlich viel mehr gefördert werden muss. Von nichts kommt nichts. Und um exzellent sein zu können, muss man erst mal die Möglichkeiten haben, sich zu entwickeln. Und ja, dazu gehören auch banale Sachen wie ein Dach über der Eisfläche, genug Umkleiden für alle, Platz fürs Trockentraining und ein Ort, an dem die Eltern, die alles bezahlen, sich mal hinsetzen und aufwärmen können. Dazu gehören moderne Technik, Innovation, Visionen und Ideen, und nicht nur „Das machen wir schon immer so“ und andere geistlose Parolen. München könnte so viel mehr sein für den Eiskunstlauf, wenn man wollte.

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