Die Frage sollte eigentlich mehr lauten: Wie kann man Eiskunstlauf trainieren? Die Orte, wo man trainieren kann, sind nämlich immer gleich:
- im öffentlichen Lauf
- zu speziellen Eiskunstlauf-Zeiten (falls Stadien es anbieten)
- zu Vereinstrainingszeiten als Mitglied
- off-ice zu Hause
- auf Rollschuhen oder Kunstlauf-Inlinern
Und da fängt das Wie schon an. Sobald nämlich die Frage geklärt ist, ob man, um mehr Eiszeit zu haben, einem Verein beitritt oder nicht, ist nur noch relevant, wie viel man alleine machen will und was.
Eis-Angebote
Öffentlicher Lauf
Alleine vor sich hin üben im öffentlichen Lauf ist total ausreichend für den Anfang. Wenn du nicht gerade ein außergewöhnliches Naturtalent bist, oder einen Gymnastik-/Tanz-/Ballett-Hintergrund von mehreren Jahren hast, wirst du einige Stunden brauchen, um dich überhaupt auf dem Eis wohl zu fühlen. Also begib dich, sobald eine Halle aufmacht, aufs Eis, und lerne erst mal geradeaus fahren.
Dazu gibt es viele gute Videos, und hier habe ich auch eine Übersicht über die Eislauf-Basics und in welcher Reihenfolge man sie sinnvollerweise lernen kann, zur groben Orientierung.
Öffentliche Eiskunstlauf-Stunden
Sobald man die Laufschule hinter sich hat und ausfallendere Schritte/Kombinationen und Sprünge lernen möchte, bietet es sich eventuell an, Patch-Zeiten zu nutzen. Das sind spezielle öffentliche Eislaufzeiten, zu denen man Karten kaufen kann, aber diese Karten sind limitiert und man sollte einigermaßen fahren können, damit man den dort ebenfalls trainierenden Fortgeschrittenen nicht im Weg ist.
Gerade im Ausland höre ich auch von vielen, die ihre Kamera mit aufs Eis nehmen und live remote Unterricht nehmen. Ich habe das auch gemacht, und es hat mir auch zT. geholfen. Aber es ist sehr sehr peinlich und unangenehm. Ich sage mir zwar immer, dass ich ja eigentlich weniger störe damit, da ich nicht auch noch einen Trainer auf dem Eis habe, und also weniger Platz brauche, aber man hat immer das Gefühl, man macht was Unangebrachtes, auch wenn das immer normaler wird (und die lokalen Trainer ja kaum Kapazität haben, und die Karten auch super schnell ausverkauft sind – hier jedenfalls).
Ich persönlich finde auch, dass langsame Läufer wenig stören, solange sie aus dem Weg gehen und nicht genau dann, wenn man irgendeine Kurve fahren will, unsicher strampelnd im Weg stehen. Und es gibt ja auch genug Kinder, die auf solchen Zeiten trainieren, und da sagt auch keiner was. Aber ja, blutige Anfänger sollten trotzdem nicht auf Patch-Eis. Es ist einfach unpassend. Genau dafür gibt es öffentlichen Lauf.
Vereinstraining
Zu guter Letzt wären dann da noch die Vereinszeiten. Vereinstraining ist natürlich auch wieder nicht für jeden was. Manche sind einfach Einzelkämpfer. Und dann hängt der Erfolg auch sehr von der Ausrichtung des Vereins, dem Engagement der Trainer und davon, wie sehr man gepusht wird, ab. Man kann sich theoretisch auch jahrelang hängen lassen und so mit dümpeln, und fast gar nichts lernen.
Andere hingegen können nach 1 Jahr schon einen Axel springen (alles schon gesehen) und sind einfach totale Lernfreaks, die alles aufsaugen wie ein Schwamm. Jeder nimmt was Anderes mit. Ich persönlich mag den sozialen Aspekt vom Training, die gleichen Leute, die Routine, dass ich auch Sachen machen muss, die ich sonst vernachlässige, die Kontrolle, die Korrektur usw.
Privatunterricht
Trotzdem ist eins für mich nicht zu toppen, und das sind Privatstunden. Dabei lernt man einfach so viel wie sonst nie, man fühlt sich auch ganz anders gesehen und ernst genommen.
<Und ein heißer Tipp an dieser Stelle: Man muss nicht immer gleich eine ganze Stunde nehmen! Das ist schön, aber nicht nötig. Mir reichte am Anfang eine halbe, und dann habe ich geübt, was ich gezeigt bekommen habe. Heute würde ich natürlich so viel mitnehmen wie nur geht. Davon kann man oft tage- und wochenlang zehren.
Das einzige Problem ist die Hürde, das erstmal zu organisieren. Und da hilft nur eins: Fragen. Oder schreiben. Oder Leute fragen, die einen Trainer haben, ob sie einen mitnehmen oder vorstellen. Oder in einem Leistungszentrum die Trainer finden und anschreiben, sofern sie eine Onlinepräsenz haben. Oder ein Camp buchen, das für Anfänger zulässig ist. Und und und…
Off-Ice-Angebote
Trockentraining
Auch Off-Ice Training geht übrigens privat und meiner Meinung nach ist das eine der sinnvollsten Investitionen. Egal ob als Gruppe oder einzeln, man lernt da wichtige Grundübungen, um die Sprungkraft und Technik zu verbessern, und das kann man wirklich auf dem Eis auch gebrauchen.
Die meisten Vereine bieten nur wenig Off-Ice- aka Trockentraining, oder nur für Kinder, wie ihr hier am Bsp. des ERC in München sehen könnt. Aber eigentlich sollten Anfänger 50:50 Eis- und Off-Ice-Training haben, sagt man immer
Anmerkung
Interessiert in Deutschland nur irgendwie keinen, und dann wird sich noch über die vielen hilflosen Schnupperer aufgregt, die zwar schon stören, aber sorry, Leute, wollen wir dass der Sport besser läuft in diesem Land oder nicht? Eins von beidem geht: Entweder viele Mitglieder und viel Angebot – oder wenige Mitglieder und irgendwann gar keine Förderung mehr, weil wir komplett irrelevant geworden sind mit unserer tollen Gatekeeperei.
Wenn man also Off-Ice Training will, dann muss man:
- YouTube oder Online-Kursangebote wahrnehmen
- Leute kennen und privat trainieren oder
- Bücher nutzen
Sommer-Rollkunstlauf – leider keine großartige Alternative in Deutschland
Beim Rollkunstlauf wäre die nächste Frage: Wie toll ist das Angebot an deinem Trainingsort? In München gibt es einige Leute, die sich privat treffen, manchmal auch die ein oder andere Veranstaltung. Instagram-Accounts wie Munich Rollerdance sind da Vorreiter.
In meinem Verein gibt es 1-2× pro Woche und Stadion einen Rollschuhtag im Sommer, auf brennend heißem schattenlosen Beton, mit Helm und Schonern (brauche ich auch, aber hilft der Situation nicht). In anderen Ländern hingegen (Frankreich zum Beispiel) hat man doch merklich öfter eine schöne Turnhalle (auch weil Eis nicht vorhanden ist eben) mit weniger grausamem Holzboden. Das kann man in den meisten Städten in Deutschland eben komplett vergessen.
Und so stehen viele Eiskunstläufer im Sommer ohne Optionen da, oder üben halt alleine auf irgendeinem mit Kieseln gespickten Basketballplatz, wo man an 2/10 Tagen hoffentlich mal nicht von irgendwelchen halbstarken Kids vertrieben wird. Also, ich kenne Leute, die es trotzdem schaffen, richtig tolle Sachen zu lernen, aber ich muss ehrlich sagen, ich habe selbst einfach sowas von nicht die Energie für solchen Blödsinn. Allein schon der Gedanke, mich anzuziehen und auch nur 3km von meiner Bude entfernt bei 35°C im Schatten auf so einem Platz anzukommen, und dann bolzen da ein paar kiffende Jugendliche mit Ghetto-Blaster. Da kann ich doch nicht durchfahren. Weiß nicht, da komm ich mir komplett blöde vor.
Ich möchte an einen ordentlichen Platz kommen, dafür bezahlen, vernünftige Trainingsbedingungen haben, gute Trainer, Lernen, Freude, Socializen, und glücklich heim gehen. Und das ist sehr sehr schwer zu finden.
Ach ja…
Wenn man das sagt, wird man angeschaut, als hätte man gerade den Weltfrieden für möglich erklärt. Was für eine absurde Utopie, hahaha, du idealistisches Dummchen. Du denkst, du könntest gemütlich Rollschuhfahren in einer temperierten Halle? Mach dir nichts vor. Sowas haben wir im Freistaat Bayern nicht. Und wenn es dir nicht gefällt, dann geh doch woanders hin… (wo es zwar auch keine gescheiten Angebote gibt, aber egal, Hauptsache man kritisiert nichts, denn Missstände sind ja total geil und müssen ständig normalisiert werden. Und jeder, den es stört, möge sich als seltsamer Querulant in eine Ecke mit den Leuten stellen, die auch ein Problem damit haben, dass 5 von 10 S-Bahnen sie nicht pünktlich zur Arbeit bringen. Das ist normal, schon immer so, und deshalb komplett unantastbar. Denn alles, was in Bayern läuft ist per definitionem großartig. Kritik ist Frevel.)
Und ich meine, wenn es das schon in München, einer 1.5-Mio-Großstadt mit drei Stadien, einer Olympiahalle und dem Leistungszentrum Oberstdorf in 1.5h Zugentfernung, nicht gibt, dann will ich gar nicht wissen, wie’s im Rest von Deutschland um den Sport bestellt ist.
Ich schreibe das, weil ich mir selbst irgendwann echt mal die Illusion gemacht habe, es könnte ja coole Angebote geben. Aber letztlich habe ich doch recht wenig mitnehmen können, was Rollkunstlauf angeht, weil die Trainingsbedingungen nicht optimal sind. Mich ärgert das, ja, unnd das hat auch nichts mit Machbarkeit zu tun.
In Polen, Frankreich, Italien geht es ja auch, und der Sport kostet dort genau das gleiche. Diese Länder unterscheiden sich nicht so extrem von uns, dass man es mit ein paar Euro mehr oder weniger Durschnittsgehalt rechtfertigen könnte, oder mit staatlicher Förderung, sondern das ist eine Kulturfrage. Wir akzeptieren es ja so. Oder etwa nicht? Und da würde ich schon sagen, es ist ziemlich vermessen, so zu tun, als könnten wir nichts ändern. Das ist doch Nonsens. Die meisten stört es nur nicht genug, um sich aufzurgen. Und die, die sich aufregen, stört es nicht genug, um was zu machen. Und von denen, die es genug aufregt, haben die meisten keine Zeit, keine Kraft oder kein Geld. Und deswegen bilden sich keine Initiativen, mietet niemand eine neue Location, tun sich nicht genug Leute zusammen und passiert nichts.
Ich habe ja auch keine Zeit dafür. Aber ich mache mir wenigstens nichts mehr vor. Wenn ich Rollkunstlaufangebote finde, nehme ich sie wahr, definitiv. Aber ich versteife mich nicht auf die Idee, dass ich unter den Bedingungen hier viel lernen kann und ich mache mir keinen Druck. Mir ist auch egal, ob Max Mustermann aus Mustermünchen alle zwei Tage auf dem kniestigen Bolzplatz Doppelsprünge vollbringt. Für mich ist es nichts, und das ist auch kein Maßstab, sondern bloß Augenwischerei. Nur weil ein paar wenige Leute „trotzdem“ klar kommen und diese Allzwecktypen nichts stört, heißt das noch lange nicht, dass wir was Rollkunstlauf angeht, ein akzeptables Niveau in Deutschland zu bieten haben. Deutschland ist definitiv kein Rollkunstlaufland, vor allem Bayern nicht.
Fazit
Natürlich muss ich abschließend sagen, dass die Situation, v.a. im Erwachsenensport, in Deutschland nicht optimal ist. Alles andere… Aber: Wenn man kreativ ist und willens, selbst aktiv zu werden, findet man Möglichkeiten. Gerade in diesem so krass digitalen Zeitalter gibt es immer mehr Online-Angebote und Ressourcen, das sollte man nutzen, so früh man kann. Wenn es eins gibt, das ich während meinem Training immer wieder bereut habe, dann ist es mit egal was nicht eher begonnen zu haben oder mit nicht eher getraut zu haben, jemanden zu fragen, ein Training zu buchen, mich mit anderen zusammen zu tun usw. Macht das, es ist unglaublich wichtig!
Ein Ziel dieses Blogs ist ja außerdem auch, eine Plattform zu schaffen und den Eiskunstlauf zu fördern. Ich habe diesen Sport jetzt ins Herz geschlossen und möchte mehr Leute dafür begeistern. Deshalb: Völlig egal, wie pessimistisch ich hier klinge, es ist der schönste Sport der Welt, es ist eine eigene Kunstform. Lasst ihn euch nicht von blöden Umständen verderben. Es ist wie’s ist in Deutschland. Aber ändern können wir nur etwas, wenn wieder mehr Leute sich trauen, Eiskunstlauf zu machen, und zwar obwohl die Probleme bestehen, die ich hier beschrieben habe. Nur wenn immer mehr Leute den Sport für sich entdecken, kann er wachsen und neue Beliebtheit finden.