Ich hatte wirklich keine Lust, viel Geld für Schlittschuhe auszugeben, weshalb ich mir erst einmal ein paar Vintage-Schlittschuhe besorgt habe. Hier sind nun meine Erfahrungen damit, und meine Meinung dazu, dass man sich darin angeblich Hals und Beine brechen würde.
Die Schlittschuhe aus den 80ern
Kalte Füße und Lederfalten, das ist meine Erinnerung an die späten 80er und beginnenden 90er. Selbst wenn man warme Hände hatte und nirgendwo fror, brannten die Füße oder wurden hoffentlich irgendwann taub. Das war normal.
Ich komme aus Erfurt und dort hatten wir eine 400m-Eisbahn. Auf der fuhren alle wie die Bekloppten im Kreis. Als Kind fand ich es besonders lustig, mir vorzustellen, ich wäre Eisschnellläuferin und so bin ich dann wie ne Irre über diese Bahn gefetzt, bis mir irgendwann gedämmert ist, dass ich meine Mutter verloren hatte, und dann habe ich noch mal ein paar panische Runden gedreht, bis ich sie gefunden hatte, und sie dann meinte »Na du bist dreimal hier vorbei gefahren und hast jedesmal nicht gehört, wenn ich gerufen habe.«
So war das damals. Oh, und Leute brauchten noch Pucks mit! Kein Witz. Irgendwo flog immer so ein Scheißding rum. Heute quasi Anarchie und undenkbar. Man kriegt ja schon einen Anschiss über Lautsprecher, wenn man mal einen unschuldigen Schneeball auf jemanden wirft, der vorher seine schriftliche Zustimmung gegeben hat.
Die Schlittschuhe von damals waren auf jeden Fall ziemlich grausam. Irgendwo bildete sich immer eine einschneidende Falte, und an den Zehen waren sie alle zu eng. Überhaupt hatten die Schuhe alle so eine Art Wurst-Form. Lang und dünn. Das Leder war ziemlich dick, denn es war das einzige, was Stabilität gab. Einen Kunststoff-Kern gab es nicht. Trotzdem gibt Leder nach und verzieht sich. Und irgendwann haben diese Schuhe auch wirklich nur noch dem Träger gepasst.
Erstmal uralte Schlittschuhe von Vinted kaufen
Das ist auch etwas, was man bedenken sollte, wenn man alte Schlittlatschen kauft. Die sind an den falschen Stellen merkwürdig fest und an den noch falscheren viel zu weich. Im Knöchel geben sie nach aber am Ballen und den Zehen sind sie steif und unbequem.
Nicht dass Schlittschuhe bequem sein müssen. Ein bisschen Quälerei gehört halt dazu. Aber es ist einfach kein Vergleich zu heute.
Für mich war aber trotzdem klar, dass ich es erst mal mit alten Schlittschuhen aus den 80ern probieren wollte. Einerseits war ich naiv und nostalgisch, andererseits hatte ich keine Lust, Geld auszugeben, zu einem Laden zu fahren, und mich irgendwie länger als drei Minuten mit dem Thema rumzuschlagen.
Also habe ich mir dann ein paar Gebrauchte von Vinted gegönnt. Die Größe habe ich geraten. Lieber ein bisschen zu groß, dachte ich mir. Da schreien jetzt gleich wieder alle, aber der Punkt ist, ihr Kinderlein, dass unsereins als Laien lieber warme Füße hatte als gut sitzende Schuhe. Man ist damit sowieso nur geradeaus gefahren, was anderes geht auf einer 400m-Bahn auch nicht wirklich. Und wir wollten einfach nicht frieren.
Wie es sich anfühlt, auf 40 Jahre alten Kufen zu stehen
Als die Dinger ankamen, habe ich sie dann direkt anprobiert und wir haben unsere ersten Fahrversuche in Germering unternommen. Das war schon schräg. Also einerseits habe ich mich romantisch zurückversetzt gefühlt in diese Zeit als Kind, als ich noch keine Angst vorm Fallen hatte. Andererseits war mir eigentlich nach drei Sekunden klar, dass ich in den Dingern nicht weit kommen würde…
Es war unglaublich rutschig. Und wenn man gerade anfängt, merkt man das noch nicht so, aber der Grund hierfür war natürlich, dass die Schuhe komplett stumpf waren. Wenn Kufen stumpf sind, kannst du nicht mehr gut bremsen und brichst seitlich leichter aus und dementsprechend schneller landest du auf schmerzempfindlichen Körperstellen (nein, ich meine nicht den Hintern, sondern das Handgelenk – Radiusköpfchenfraktur, häufigste Sturzfraktur bei jungen Menschen).
Trotzdem bewegten wir (ich mit meinen Vintage-Schlitties, Kind mit ihren Jacksons und mein Mann in Hockey-Leih-Schlittschuhen) uns langsam aber unsicher übers Eis. Es war definitiv ein Erlebnis.
Ich habe das ein paar Wochenenden lang durchgehalten. Und dann bin ich eingeknickt. Also nicht mit den Füßen. Das war alles okay. Aber starrsinnsmäßig, meine ich. Ich will trotzdem mal erzählen, warum ich denke, dass es ganz cool war, die alten Dinger zu testen. Und warum ich das nicht komplett verurteile, wie manche, die meinen, einen auf Social Media belehren zu müssen, auch wenn sie selbst erst zwei Wochen fahren… Ich schreibe das jetzt über ein Jahr später, mit der Erfahrung von ordentlichen und festen Schlittschuhen (zwei Paar: Risport Artiste und Risport RF3 Pro) im Hinterkopf:
Wenn du damit fährst, wirst du ein Reh!
Man kann aus allem ein Drama machen. TikTok-User sind besonders gut darin. Jemand zeigt seine alten Treter und sofort drehen alle durch und erklären dem Urheber die Schändlichkeit seiner Tat. Du trägst diese Schlittschuhe? Du wirst sterben! Deine Knöchel werden in drei Richtungen brechen und du wirst dein komplettes Leben bereuen! Oder so ähnlich…
Ich finde das immer lustig von Leuten, die weder in den 80ern (und 90ern!) gelebt haben, geschweige denn zu dieser Zeit jemals eine Eisfläche betreten haben. Ich finde es aber noch (un)lustiger, wie diese Leute einfach annehmen, dass jeder Geld für ein paar moderne steife Schlittschuhe hat.
Die Vintage-Schlittschuhe, mit denen ich angefangen habe, waren auch nicht weicher als die meisten Wifa-Anfängerschuhe, oder den Müll von Oxelo aus dem Decathlon. Mit nichts davon sollte man theoretisch anfangen. Wissen wir, danke. Weiter im Text!
Aber der Punkt ist, dass meine ollen Test-Schuhe eben nur 20€ gekostet haben. Und meine neuen 150€. Und ja, ich wollte keinen Discounter-Schrott. Das ist nämlich auch nicht nachhaltig. Ich wollte nur was zum Probieren. Denn für mich war nicht klar, ob ich das mehr als 3× im Jahr machen würde oder nicht. Ich war nicht bereit zu einer größeren Investition und ich denke nach wie vor, dass für mich, zu dem Zeitpunkt, das schon okay war.
So haben die Vintage-Treter noch mal eine Ehrenrunde gemacht. Und danach habe ich sie sogar an eine Freundin weiter gegeben. Zum Probieren waren sie allemal deutlich besser als alles, was man ausleihen kann. Und es war auch irgendwie cool, damit noch mal auf dem Eis zu stehen, wie zu Kindertagen.
Entgegen aller Unkenrufe habe ich damit meine ersten Schritte auf dem Eis gemacht und es ging total okay. Und ich meine, ja, wir hatten es damals schwerer, ständig waren die Füße am Abfrieren und es war unglaublich unbequem. Aber letztendlich sind wir alle mit genau solchen Schuhen rumgefahren – weil es nichts anderes gab.
Es ist etwas arrogant, sich heute hinzustellen und von überlegener Technik zu reden, wenn diese für viele Leute einfach zu teuer ist. Viermal ausleihen und die Vintage-Schlittschuhe haben sich schon rentiert. Und wie gesagt, mein Fahrerlebnis war definitiv besser als irgendwas ausgeliehenes.
Würde ich es heute noch mal so machen? Nein. Einfach weil moderne Schlittschuhe sicherer und bequemer sind. Für mich ist Sicherheit nicht so wirklich wichtig. Ich bin vorsichtig genug und ich habe dank Krafttraining auch keine super ausgeleierten Sprunggelenke.
Das Problem ist eher, dass ich diese Einschätzung gar nicht hätte treffen können. Mir war weder klar, ob und wie viel ich eislaufen will. Noch was ich überhaupt brauche. Und im Nachhinein war das mit dem Schuh für mich so total okay.
Für Anfänger besser…
Ich kann als Tipp eigentlich nur guten Gewissens sagen, dass man, wenn man das Geld hat, in ein Fachgeschäft gehen sollte und sich dort den Schuh anpassen und ein thermo-molding machen lassen sollte. Das lohnt sich eigentlich für jeden! Und wenn man die Schuhe gut behandelt, kann man sie auch relativ preisstabil wieder loswerden.
Wer nicht im Laden kaufen will oder keinen in der Nähe hat, kann zB. auch eine Skate Fitting Box (hier von Eisprinzessin.at) bestellen. Und ja, ist auch machbar, selbst die Schuhgröße zu bestimmen – wenn man die Fußlänge und Umfang am Quergewölbe (Fußbreite) richtig misst, und dann in den entsprechenden Tabellen der Hersteller nachschaut. Aber ich denke, die meisten Anfänger sind davon überfordert, und im Laden sieht man einfach besser, was wirklich passt und wo drückt.
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